Das Blicktarget nach Marlitt Wendt #2
Blicktarget in der Bodenarbeit einsetzen
Die von mir entwickelte Vorstellung des Blicktargets (siehe auch Videoartikel Blicktarget) hilft uns bei der Freiarbeit dem Pferd eine Spur vorzugeben auf der wir es gerne sehen wollen. Es ist ein gedachtes Target. Wir stellen uns vor, einen Lichtkegel wie mit einer Taschenlampe von unseren Augen auszusenden und mit diesem die Spur des Pferdes auszuleuchten. Dabei clicken und belohnen wir das Pferd, wenn es in den gedachten Lichtkegel eintritt. Die Shettystute Fanny ist bereits eine ältere Dame. Zusammen mit ihrem Lieblingsmenschen Chantal entdeckt sie beim Seminar das Blicktarget. Bisher gab es häufig das Problem, dass Chantal die Spur, auf der Fanny läuft, nicht genau bestimmen konnte.
Blickkontakt und Blickrichtung
Pferde reagieren sehr stark auf die Blickrichtung von anderen Individuen – sei es Pferd oder Mensch. Das können wir uns gezielt zunutze machen, indem wir dem Pferd bestätigen, dass unserem Blick eine Bedeutung zukommt. Dazu nehme ich zunächst Blickkontakt auf und stelle sozusagen einen Dialog her und formuliere so eine direkte Anfrage an das Pferd. Dann lasse ich meinen fokussierenden Blick auf den Ort schweifen, an den das Pferd gehen soll. Zunächst ist dieser Ort natürlich direkt vor dem Pferd. Über das direkte Markern und belohnen gebe ich meinem Blick eine nachvollziehbare Bedeutung. Eine ganz bestimmte Art der Blickführung wird so zum Blicktarget.
Futterübergabe auf der Spur
Ganz wichtig bei der Arbeit mit dem gedachten Blicktarget ist es nach dem Click genau in der vorgegebenen Spur zu füttern. Und nicht etwa doch wieder direkt vor den eigenen Beinen, also auf der Spur auf der man nur selbst laufen möchte. Der exakte Futterpunkt hat ja immer eine herausragende Bedeutung in der Belohnungshistorie. Das Pferd orientiert sich räumlich gesehen sehr stark daran, wo genau es die Futterbelohnungen in der Vergangenheit erhalten hat. So kann man das parallele Laufen durch den Futterpunkt direkt fördern, indem man den Arm ausstreckt und das Pferd auf seiner Spur füttert. Es ist also umgekehrt auch eine häufige Fehlerquelle, die leicht entstehen kann, wenn man nicht darauf achtet, wo man das Pferd genau füttert. Füttert man also wiederholt nachdem das Pferd in unsere eigene Spur gedriftet ist oder den Menschen gar abgedrängt hat, so wird sich auch dieses unerwünschte Verhalten langfristig manifestieren.
Position korrigieren
Mit unserer Blickführung geben wir dem Pferd eine Orientierungshilfe für die erwünschte Bewegungsrichtung, aber nur wenn wir den Futterpunkt vorher für uns genau bestimmen und diesen dann auch wirklich einhalten. Selbst wenn das Pferd sich also nach dem Click „querstellt“, können wir mit dem Leckerli in der Hand am Pferd vorbei ziehen, so dass es um zu fressen wieder in die eigentlich richtige Position auf der Spur neben dem Menschen zurück kommen muss. Erst dort angekommen öffnen wir unsere Hand und übergeben das Futter.
Der Click leitet den Belohnungszeitraum ein
Es gibt ein grundlegendes Prinzip im positiven Pferdetraining: Der Click leitet als sekundärer Verstärker ein Zeitfenster ein, welches mit der Übergabe des Futters, des primären Verstärkers beendet ist. Alles was in diesem Zeitfenster geschieht, wird letztlich mit verstärkt. Auch aus diesem Grunde ist es so wichtig, grundsätzliche Höflichkeitsregeln, Futterübergabe und Körperhaltung des Pferdes immer wieder gesondert zu trainieren. Hat man etwa ein sehr futterorientiertes Pferd, welches noch nicht gelernt hat die Futterbelohnung ruhig und sanft anzunehmen, so kann es leicht passieren, dass unhöfliche Verhaltensweisen als Lerninhalt in sämtliche Lektionen mit einfließen, einfach weil sie stets im Belohnungszeitfenster vom Pferd ausgeführt werden. Daher ist es ganz entscheidend wirklich geschickte Futterübergaben zu trainieren und dabei keine unerwünschten Verhaltensweisen immer mit zu verstärken.
Wo belohnen wir?
Natürlich soll ein einzelnes Leckerli nach dem Click möglichst schnell ins Pferdemaul wandern. Aber Vorsicht: Nicht die Geschwindigkeit hat für mich bei einem bereits gut auf den Click konditionierten Pferd Priorität, sondern die Ruhe und Präzision der Übergabe. Es ist wichtig sich nicht selbst durch den Click zu stressen, sondern wirklich besonnen und ruhig nach dem Click in die Tasche zu greifen und das Futter genau dort zu übergeben, wo man es sich vorgenommen hat. Der Belohnungszeitraum verzeiht eher kleine Verzögerungen, während eine dauerhaft ungenaue Futterübergabe an einer falschen Position dem Pferd Aufdringlichkeiten quasi aktiv beibringt und unsere gemeinsame Bewegung unnötig erschwert.
Alles Liebe, Marlitt
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Marlitt Wendt
Ich bin Verhaltensbiologin und eine Pionierin auf dem Gebiet des Trainings mit positiver Verstärkung für Pferde. Das was zunächst als private Leidenschaft begann, ist seit fast 20 Jahren meine Berufung. Ich habe meinen Traum verwirklicht und durfte mein Wissen und meine Erfahrung als Autorin in vielen Sachbüchern und Fachartikeln veröffentlichen und als Dozentin auf Seminaren im gesamten deutschsprachigen Raum in der Praxis umsetzen. RPlus ist nun die Quintessenz meiner bisherigen Arbeit. Mit RPlus als Idee, positive Verstärkung in ihrer Gesamtheit darzustellen und den Grundgedanken des Gebens wirklich zu leben, veröffentliche ich hier lerntheoretische Inspirationen, meine eigenen Ausbildungskonzepte und persönliche Einblicke in meine Pferdewelt.
Conny Ranz
Ich bin Pferdefotografin und Grenzgängerin. Mit meiner Kamera bewege ich mich zwischen den Welten. Zwischen Tier und Mensch, zwischen Traum und Realität. Pferde ihrer Natur entsprechend in ihrer ganzen Persönlichkeit zu zeigen, begeistert mich damals wie heute. Dazu bin ich unter anderem europaweit auf den Spuren der Wildpferde unterwegs. Diese Begegnungen erwecken stets den Mut zur Freiheit in mir. Mit meinen Bildern durfte ich bereits an einigen Buchprojekten namhafter Verlage sowie in diversen Pferdemagazinen mitwirken. Vor allem aber verleihe ich damit unserem gemeinsamen Herzensprojekt RPlus aus vollster Überzeugung Flügel.