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RPlus | Das Spielverhalten des Pferdes
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Junghengste unter sich

 

Pferde messen ihre Kräfte gerne im Spiel, sie entwickeln so spielerisch ihre Persönlichkeit und loten dabei ihre Position in der Gruppe aus. Gerade im Spiel unter Junghengsten kann es durchaus körperbetont zur Sache gehen. Da wird sich gegenseitig nachgejagt, nach dem Kopf des Gegenübers geschnappt, in die Vorderbeine des Kontrahenten gezwickt oder der Spielkamerad wird wild angestiegen. Alles in einem schnellen Wechsel und begleitet von dem charakteristischen Ausdrucksverhalten, den schwingenden, lockeren Bewegungen ebenso wie dem typischen Spielgesicht. Im Folgenden schauen wir im Detail auf das Spiel einiger Noriker und Haflinger Junghengste auf der österreichischen Sommeralm.

 

Wie immer bei unserer Kategorie Zoom kannst du, wenn du mit deiner Maus oder dem Finger über die Bilder fährst noch mehr Details entdecken.

Zoom
Spiellaune # 1

Das Spielgesicht

 

Die freundliche Stimmung und die Spielabsicht zeigt sich hier bei den beiden im Vordergrund stehenden Hengsten schon am Gesichtsausdruck. Das Spielgesicht ist gekennzeichnet durch die vorgeschobene verlängerte Oberlippe, eine weiche Nüstern- und Maulpartie, eine lockere Kaumuskulatur, wechselndes Ohrenspiel und die fehlende Lidfaltenbildung. Während der Haflinger in der Mitte gerade eher mit dem Tigerschecken interagiert, ist der braune Noriker in Spielstimmung, aber aktuell noch in der passiven beobachtenden Rolle.

Spiellaune # 2

Das Ansteigen

 

Ein typisches Element im Spiel unter Hengsten ist das Ansteigen. Der junge Haflinger hat sich aus dem Steigen heraus mit dem Vorderbein auf den Hals des Norikers gestützt. Beide Hengste schnappen mit geöffnetem Maul spielerisch nacheinander. Beim Noriker sehen wir die große Kraftentfaltung an dem setzen auf die Hinterhand, der sogenannten Hankenbeugung.

Spiellaune # 3

Ansteigen, die Zweite

 

Einen Moment später stemmt sich der Haflingerhengst energetisch erneut in ein hohes Steigen. Wieder und wieder versuchen sich beide Tiere gegenseitig in den Kopf zu schnappen, sie drohen spielerisch mit geöffneten Maul.

Spiellaune # 4

In die Knie gezwungen

 

Dieser im Foto eingefangene Augenblick ist ein Schlüsselmoment im Spiel der beiden Junghengste. Wir sehen hier das typische „in die Knie zwingen“. Der Haflinger nutzt hier seine Geschicklichkeit gegenüber der größeren Körpermasse des Norikers aus und drückt den Kopf des Norikers im Spiel mit seinem Vorderbein über dem Genick des Größeren zu Boden und zwingt ihn damit in eine kniende Position. Hier wird deutlich, dass unter Pferden nicht die Körperkraft allein entscheidend ist, sondern vor allem die Geschicklichkeit.

Spiellaune # 5

Alles eine Frage der Technik

 

Auch beim darauf folgenden erneuten Steigen zeigt der Haflinger seine größere Beweglichkeit. Er schafft es dem Biss in seinen Schädel durch ein schräges Steigen auszuweichen, indem er sich in der Bewegung wegdreht. Hier werden ausgelassen Angriffs- und Abwehrtechniken ausgeführt, die in einer späteren ernsten Auseinandersetzung den Unterschied zwischen Sieg oder Niederlage bedeuten können.

Spiellaune # 6

Blockieren

 

Ein weiteres Spielelement ist das Blockieren des anderen, indem der eine Spielpartner – hier der Haflinger – sich schräg vor die Brust des anderen stellt und diesen so am „Schwungholen“ mit dem Position um das Auslenken des Halses schon an der Basis zu unterbinden.

Conclusio

Welchen biologischen Sinn hat dieses scheinbar sinnlose Spielverhalten?

 

Wie schon erwähnt dient das Spiel der Entwicklung und Ausbildung des Charakters und der zu erlernenden Verhaltensmöglichkeiten. Eine besonders große Rolle spielt das Spiel für das Lernverhalten im Allgemeinen. Pferde, die als Jungtiere viel mit anderen spielen konnten, sind besser in der Lage Probleme zu lösen. Sie lernen im Spiel quasi das Lernen an und für sich. Indem sie gegenseitig ihre Kräfte messen, lernen sie die Möglichkeiten und Grenzen ihres Körpers einzuschätzen. Sie lernen ihr Bewegungspotential kennen und schärfen ihre Sinne. Dabei ist durchaus der Reiz des Abenteuers, die Lust am spielerischen Zeitvertreib wichtig für die Gehirnentwicklung der Pferde. Es entwickelt sich durch die entstehenden neuen neuronalen Verknüpfungen zu einem immer komplexeren Gebilde. Die spielerische Anregung des Lustzentrums im Gehirn führt dabei zu einer positiven Weiterentwicklung. Aus dem Wechsel zwischen der Anregung im Spiel und er folgenden Entspannung steigert sich zudem die Stress-Resistenz des Pferdes.

Funktionsspiel

 

Die Fohlen- und Jungpferdezeit des Pferdes ist ebenso wie die Kindheit des Menschen geprägt von Funktionsspielen. Im Kontakt mit anderen Gleichaltrigen, aber auch im Kontakt mit sich selbst bildet sich der individuelle Charakter. Hat das Jungpferd ein lustvolles Spiel mit einem*einer Partner*in entdeckt, so wird es die einzelnen Elemente und Verhaltensweisen immer wieder versuchen zu wiederholen. Es spürt den Effekt seiner Handlungen direkt an der Reaktion des Gegenübers – und das ist wichtig für die Entwicklung der Selbstwirksamkeit. Es entdeckt mehr und mehr, dass es mit seinen Handlungen etwas bewirken, dass es mit seinem Verhalten Effekte in seiner Umwelt auslösen kann. Je häufiger ein Jungpferd seine Selbstwirksamkeit erfährt, desto selbstsicherer und gelassener wird es sich entwickeln. Es erlernt eine größere Frustrationstoleranz und wird deutlich weniger empfänglich für Angststörungen oder depressive Stimmungen. So gesehen ist das Spiel unter Jungpferden nicht nur wichtig für die physische Gesundheit, sondern lebensnotwendig für die psychische Entwicklung der Persönlichkeit.

Bis zum nächsten Mal, Marlitt

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Marlitt Wendt

 

 

Ich bin Verhaltensbiologin und eine Pionierin auf dem Gebiet des Trainings mit positiver Verstärkung für Pferde. Das was zunächst als private Leidenschaft begann, ist seit fast 20 Jahren meine Berufung. Ich habe meinen Traum verwirklicht und durfte mein Wissen und meine Erfahrung als Autorin in vielen Sachbüchern und Fachartikeln veröffentlichen und als Dozentin auf Seminaren im gesamten deutschsprachigen Raum in der Praxis umsetzen. RPlus ist nun die Quintessenz meiner bisherigen Arbeit. Mit RPlus als Idee, positive Verstärkung in ihrer Gesamtheit darzustellen und den Grundgedanken des Gebens wirklich zu leben, veröffentliche ich hier lerntheoretische Inspirationen, meine eigenen Ausbildungskonzepte und persönliche Einblicke in meine Pferdewelt.

Conny Ranz

 

 

Ich bin Pferdefotografin und Grenzgängerin. Mit meiner Kamera bewege ich mich zwischen den Welten. Zwischen Tier und Mensch, zwischen Traum und Realität. Pferde ihrer Natur entsprechend in ihrer ganzen Persönlichkeit zu zeigen, begeistert mich damals wie heute. Dazu bin ich unter anderem europaweit auf den Spuren der Wildpferde unterwegs. Diese Begegnungen erwecken stets den Mut zur Freiheit in mir. Mit meinen Bildern durfte ich bereits an einigen Buchprojekten namhafter Verlage sowie in diversen Pferdemagazinen mitwirken. Vor allem aber verleihe ich damit unserem gemeinsamen Herzensprojekt RPlus aus vollster Überzeugung Flügel.

AUTHOR: Marlitt Wendt