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RPlus | Clickertrainer*innen als ewige Lehrer*innen
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Und wo bleibt das Pferd dabei?

 

Wer sich gedanklich auf die erhöhte Stufe des*der Lehrer*in bzw. Trainer*in einrichtet, der kann je nach eingenommener Höhe und Abstand zu seinem*seiner Schüler*in (Trainee Pferd( emotional gesehen – tief fallen. Ein deutliches Gefälle zwischen den Positionen ist aus meiner Sicht nicht unbedingt positiv zu bewerten. Sicher gibt es unserer Lehrsituation Struktur, wenn der*die Trainer*in weiß was er*sie möchte, ständig Rückmeldungen gibt und so der Lerneinheit deutlich eine Richtung vorgeben kann. Im negativen Sinne werden sich aber aus meiner Sicht sensible, empfindsame Pferde-Trainees allein durch diese einseitige Rollenverteilung schon Stress empfinden können. Sie spüren, dass sie dort in eine einengende Gasse gedrängt werden, dass ihnen vorgegeben wird, was richtig und was falsch ist.

Verunsicherungen beim Pferd

 

Insbesondere wenn das Pferd schon Erfahrungen oder bereits eigene Lösungsstrategien zum erlernenden Thema etabliert hat, kann es sein, dass die angestrebte Lösung des*der Trainer*in zwar Vorteile in Form von Belohnungen in Aussicht stellt, aber dennoch in einem verwirrenden Gegensatz zu dem eigenen Erleben steht. Eine Unsicherheit in Bezug auf die Beziehung zum Menschen kann leicht die Folge sein, wenn wir scheinbar irrationale Wege beschreiten möchten. Wenn wir uns gerne als allwissende Oberlehrer*innen präsentieren, können schwer nachvollziehbare Lernziele zu folgenden unnötigen Verunsicherungen der Tiere führen.

Christian Morgenstern: Man sieht oft etwas hundert Mal, tausend Mal, ehe man es zum allerersten Mal wirklich sieht.

Starre Rollenverteilung

 

Etwa auffällig verspielte oder kreative Pferdetypen empfinden die überhöhte Lehrerhaltung des*der Trainer*in meiner Erfahrung nach oft als sehr begrenzend und einengend. Zudem bedeutet es eine hohe mentale Anforderung für ein Pferd konzentriert bei der Sache zu bleiben, für eine gestellte Aufgabe nur einen einzigen richtigen Lösungsweg anzunehmen und sich auf eine von uns vorgegebene nicht veränderbare Rollenverteilung einzulassen.

Die Gefahr dabei: Die Beurteilung eines Lebewesens

 

Wir dürfen auch nicht vergessen, dass der Click und die von uns positiv gemeinte Belohnung nicht nur auf der Verhaltensebene wirkt, sondern mindestens ebenso stark auf der Emotions- und der Beziehungsebene. Manche Pferde können sich sehr leicht auf ein reines, „steriles Spiel“ auf der clickertypischen Verhaltensebene einlassen und sich selbst ein Stück weit von ihren Handlungen distanzieren. Dagegen fällt es manchen Pferdepersönlichkeiten zunehmend schwerer, desto weniger die menschlichen Trainer*innen sich die Tatsache bewusst machen, dass sie eben nicht ein Computerspiel mit „richtig und falsch“-Antworten bedienen, sondern ein denkendes und fühlendes Wesen vor sich haben. Mit jedem einzelnen Click senden wir neben der passenden Antwort auf der Verhaltensebene immer auch eine Botschaft auf den beiden anderen Ebenen aus. Wir beurteilen mit unserer emotionslosen Rückmeldung ein Stück weit auch das Tier als Person. Sensible Pferde reagieren dabei fast verzweifelt auf einen ausbleibenden Click, das Gefühl nicht gut genug gewesen zu sein überwiegt offensichtlich die inhaltliche Verhaltensebene, die einfach nur neutral ausdrücken sollte, dass ein neuer Versuch nötig ist, um einen Click zu erhalten.

Emotional vernachlässigte Pferde

 

Es macht also manche Pferde hektisch, wenn die Futterübergabe mechanisch, grob oder wenig liebevoll und wertschätzend gestaltet wird. Es schwingt immer eine Form der Beurteilung mit, wenn der Click gegeben wird, ebenso dann, wenn er ausbleibt. Kein Lebewesen sollte sein Selbstwertgefühl aus unserer betont gefühlsneutralen Rückmeldung auf der Verhaltensebene beziehen müssen. Aber genau diese Fehler machen sehr viele Clickertrainer*innen und findet sich sehr oft in der Literatur und den Konzepten mancher Profis wieder, um im Namen einer wohl gutgemeinten effektiven und professionellen Tierausbildung die emotionalen Ebenen bewusst zu vernachlässigen. Da soll auf keinen Fall Futter ohne Click überreicht werden, das Pferd soll bewusst ignoriert werden wenn es einen Fehler im Sinne des Menschen macht, es gibt Strafrunden, Auszeiten und ein ganzes Arsenal an Sanktionen um Verfehlungen zu ahnden in dem ach so positiven Training vieler Clickertrainer*innen.

Geliebt werden um seiner Selbst willen

 

Um es ganz klar zu sagen: Sicher können wir immer wieder punktuell auf der Verhaltensebene arbeiten, aber es ist aus meiner Sicht ethisch nicht vertretbar seinen gesamten Umgang mit einem fühlenden Lebewesen rein auf dieser Ebene gestalten zu wollen. Jedes Pferd muss erleben dürfen, dass es um seiner Selbst geliebt wird, dass es Geschenke jeglicher Art von uns erhält, ohne dass es für ein wenig Aufmerksamkeit und Zuwendung ständig mit der Erfüllung abstrakter Aufgabenfelder kämpfen muss. Dass es nichts leisten muss um von uns wirklich gesehen zu werden, sondern dass wir mit unserem liebevollen Blick immer ihr Herz sehen möchten und können und wir diesen Blick nicht durch eine Trainings-Verschleierung trüben lassen.

Behutsamer Einsatz des Machtwerkzeugs „Clickertraining“

 

Clickertraining und gezielte Übungsgestaltung darf aus meiner Sicht nur ein kleines Zeitfenster unserer gemeinsamen Zeit in Anspruch nehmen. Es ist unsere Pflicht einen verantwortungsbewussten Umgang mit diesem mächtigen Hilfsmittel Clickertraining vorzunehmen: Pferde sind nicht unsere Marionetten, die an den Schnüren der Signalkontrolle und an der Futterhand der Ausbilder*innen tanzen sollen. Der Grad zwischen anregender Förderung und degradierendem Missbrauch ist auch in unserer angestrebt positiven Trainingsmethode extrem schmal.

Der Click ist schwarz/weiß, aber das Leben ist bunt

 

Überspitzt gesagt ist Clickertraining eine drastische Vereinfachung eines Lebensprinzips. Grundsätzlich soll ja eine Vereinfachung beiden Seiten helfen, den Kern einer Übung zu erfassen und ihnen dadurch die Möglichkeit geben sich darüber austauschen zu können. Ein reduziertes Abbild der Wirklichkeit hilft Mensch und Tier sich zu vergegenwärtigen, was beim Lernen eigentlich in uns passiert.

Kein einfaches Reiz-Reaktions-Schema

 

Wer sich mit dem Clickertraining im engeren Sinne beschäftigt, bekommt gewissermaßen Faustregeln, nach denen er eine Ahnung hat, wie er das Lernverhalten des Tieres steuern kann. Was aber tatsächlich im Pferdekopf geschieht, ist etwas ganz anderes und weitaus vielfältiger und für uns nicht direkt erfassbar. Das Pferdegehirn arbeitet wie unseres nicht einfach nach dem Reiz-Reaktions-Schema, unsere Säugetiergehirne erleben jeden Augenblick eher holistisch, also ganzheitlich – jeder Denkprozess ist wie eine schwingende Saite die wiederum unvorhersagbar viele andere Saiten zum mitschwingen animiert.

Clickertraining vs. Persönlichkeit

 

Das veraltete Blackbox-Prinzip mit dem das Lernverhalten oft immer noch vereinfacht dargestellt wird, spielt dabei nur noch eine untergeordnete Rolle in Bezug auf die vielen anderen Lernebenen, die ständig unter der Oberfläche miteinander interagieren. Clickertraining ist etwa vergleichbar mit der Unterteilung eines Gemäldes in hell und dunkel, während die Schönheit der Abbildung erst durch das schier unendliche Spektrum des Regenbogens annähernd erfasst werden kann. Click = richtig/ und kein Click = falsch/schlecht lässt einfach alle farblichen Schattierungen des echten Lebens vermissen. Wer glaubt, er könne rein aus den Verhaltensreaktionen, also auf der strengen Clickerebene, ein umfassendes Bild der Persönlichkeit seines Pferdes ableiten, der irrt gewaltig.

Ausdruck der Gefühlswelt

 

Es ist offensichtlich nicht alles im Leben so einfach, als dass wir sagen könnten, diese eine Bewegung wäre richtig. Sicher kann sie in Hinblick auf einen Shaping-Prozess, innerhalb einer Aufgabenstellung zielführend sein oder aber nicht. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass Pferde mittels Verhaltensweisen und Bewegungsmustern immer auch ihre innere Gefühlswelt ausdrücken, ihr momentanes Befinden mitteilen oder aber Kommunikationsangebote an uns richten. Sie sprechen zu uns durch ihre körperliche Ausdrucksformen und so erscheint es für sie oft widersinnig, wenn wir ihre Handlungen in ein Korsett aus richtig und falsch, Signalkontrolle und Ignorieren zu pressen versuchen.

Alles fließt in die Kommunikation ein

 

Ihr Verhalten und ihre Körperlichkeit ist immer auch Ausdruck der vielen emotionalen Prozesse und Reaktionen in Hinblick auf unsere Ansprüche an sie. Darüber hinaus wollen wir ja gerade in Hinblick auf eine gymnastizierende Ausbildung Einfluss auf Bewegungen haben, sie modifizieren und verbessern können. Es bringt also letztlich nichts irgendein starres Seitwärts zu trainieren und unter Signalkontrolle zu bringen, solange das Pferd nicht spürt, dass wir auch mit unserer Körpersprache, dem Blick oder mit der eigenen Bewegungsenergie mit ihm kommunizieren und dabei winzige Informationen über die Art der Ausführung einer Lektion austauschen. Nur so entstehen organische Bewegungsmuster von Seitengängen wie Schulterherein oder Travers.

CT immer rein positiv?

 

Immer wieder stellt sich die Frage wie positiv Clickertraining eigentlich wirklich ist. Schlussendlich ist das eine philosophische Frage, nur der Trainee also das Pferd kann jeweils entscheiden, ob es sich in einer Trainingssituation wirklich wohl gefühlt hat, sich dieser freiwillig aussetzen würde und was es dabei für sich wirklich gelernt hat. Da wir das Pferd nicht direkt nach seinen Gefühlen in Bezug auf das Training befragen können, können wir uns nur an seinem gezeigten Verhalten, seiner Mimik und Körpersprache und unseren Empfindungen dazu orientieren.

Blick aufs Futter

 

Ein Beispiel wie eng das Training mit der alltäglichen Lebenszufriedenheit verknüpft ist, zeigt beispielsweise ein Blick auf das Thema Futter. Die meisten Clickertrainer*innen gehen davon aus, dass sie mit dem Futter als primärem Verstärker quasi nichts falsch machen können. Aus meiner Erfahrung heraus sehe ich das Thema Futter jedoch deutlich differenzierter. Viele Pferde sind aufgrund nicht pferdegerechter Haltungs- und Fütterungsbedingungen schon nah an der Grenze zu verschiedenen „Ess-Störungen“.

Emotionale Hintergründe

 

Für diese Tiere ist das Thema Futter emotional extrem aufgeladen und die Wichtigkeit der Nahrungsaufnahme überlagert fast alle Aspekte der sozialen Interaktionen mit uns. Ist das Leckerli für diese gestressten Typen wirklich nur einfach eine nette Gabe von uns oder lindert es gerade ein akutes Hungergefühl und rettet das Pferd emotional gesehen vor dem „gefühlten Hungertod“? Lernt es hauptsächlich auf der Ebene: „Gerade noch mal gutgegangen“ oder „fast hätte ich das Leckerli nicht bekommen“ und kann daher unser Training gar nicht mit der nötigen entspannten Lockerheit genießen?

Wie wird es vom Pferd empfunden?

 

Allein schon die Tatsache, dass wir einen Leckerlibeutel tragen bzw. das Pferd weiß, dass wir Futter bei uns haben, kann ein Gefühl von Druck auslösen und damit als Bestechung und der Demonstration von Macht empfunden werden. Insbesondere bei besonders hochwertigem Futter arbeiten wir bewusst über eine Manipulation durch einen besonders starken Anreiz. Dieser Ansporn führt auf der einen Seite zwar zu schnellen Erfolgen, aber letztlich eventuell auch zu Zuständen von Verzweiflung bei Nichterreichen des aktuellen Lernziels.

Belastende Situation?

 

Die Kombination hochwertiges Futter und ungeübter Clickertrainer*innen kann schnell zu einer enorm belastenden Situation für das Pferd führen. Daher ist es wichtig das eigene Training immer wieder selbst zu reflektieren. Ist mein Pferd wirklich entspannt in Gegenwart von Futter, Clicker und Target? Kann es sich leicht beruhigen, wenn wir eine Übung mit viel Energie gemacht haben? Zeigt es seine Freude über eine eindeutige Mimik? Und lassen wir unserem*unserer Partner*iin Raum für Eigeninitiative und bemerkt er*sie diese gewährte Freiheit auch bewusst? Nur wenn man sich an den positiven Reaktionen des Tieres orientiert, wird man die gemeinsame Trainingszeit zu einem wirklich positiven Erlebnis werden lassen – für Mensch und Pferd.

Ich wünsche mir für unsere Pferde, dass sie wirklich gesehen werden, Marlitt

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Marlitt Wendt

 

 

Ich bin Verhaltensbiologin und eine Pionierin auf dem Gebiet des Trainings mit positiver Verstärkung für Pferde. Das was zunächst als private Leidenschaft begann, ist seit fast 20 Jahren meine Berufung. Ich habe meinen Traum verwirklicht und durfte mein Wissen und meine Erfahrung als Autorin in vielen Sachbüchern und Fachartikeln veröffentlichen und als Dozentin auf Seminaren im gesamten deutschsprachigen Raum in der Praxis umsetzen. RPlus ist nun die Quintessenz meiner bisherigen Arbeit. Mit RPlus als Idee, positive Verstärkung in ihrer Gesamtheit darzustellen und den Grundgedanken des Gebens wirklich zu leben, veröffentliche ich hier lerntheoretische Inspirationen, meine eigenen Ausbildungskonzepte und persönliche Einblicke in meine Pferdewelt.

Conny Ranz

 

 

Ich bin Pferdefotografin und Grenzgängerin. Mit meiner Kamera bewege ich mich zwischen den Welten. Zwischen Tier und Mensch, zwischen Traum und Realität. Pferde ihrer Natur entsprechend in ihrer ganzen Persönlichkeit zu zeigen, begeistert mich damals wie heute. Dazu bin ich unter anderem europaweit auf den Spuren der Wildpferde unterwegs. Diese Begegnungen erwecken stets den Mut zur Freiheit in mir. Mit meinen Bildern durfte ich bereits an einigen Buchprojekten namhafter Verlage sowie in diversen Pferdemagazinen mitwirken. Vor allem aber verleihe ich damit unserem gemeinsamen Herzensprojekt RPlus aus vollster Überzeugung Flügel.

AUTHOR: Marlitt Wendt