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RPlus | „Die fressen ja einfach nur“ Pferdeverhalten
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Grasen als Teil des Sozialverhaltens

 

Grasende Pferde erscheinen selbst vielen Pferdemenschen als langweilig. Da passiert ja nichts, die fressen einfach nur – so der Gedanke vieler. Dabei dient das Grasen nicht nur der Nahrungsaufnahme, sondern ist Teil des spannenden Sozialverhaltens und damit ein wichtiger Baustein der pferdetypischen Kommunikation. Ähnlich wie sich auch beim Menschen die Familienbande bei einem gemütlichen Abendessen vertiefen oder Geschäftsbeziehungen gerne bei einem Essen geknüpft werden, spielt sich bei den Pferde der größte Teil ihres sozialen Lebens im Kontext der gemeinsamen Nahrungsaufnahme ab. Sie grasen nicht einfach zufällig irgendwo und suchen nicht nur die Futterpflanzen ganz individuell aus, sondern auch die genaue Fressposition in Bezug auf andere Herdenmitglieder. So begleiten wir hier im Zoom-Artikel einmal eine Pferdegruppe beim sozialen Grasen.

Zoom
Soziales Grasen # 1

Das Ausbilden einer Formation

 

Beobachtet man eine grasende Pferdeherde, so wird man immer wieder diesen Aspekt des Herdenverhaltens sehen können. Pferde stehen beim Grasen nicht einfach kreuz und quer, sondern es ergibt sich häufig ein Muster und eine gemeinsame Wanderrichtung. Langsam schreiten alle Herdenmitglieder – Minischrittchen für Minischrittchen – wie heimlich verabredet in die gleiche Himmelsrichtung. Dabei bewegen sie sich zumeist gestaffelt nebeneinander oder hintereinander fort und oft nur wenn sie schneller unterwegs sind und gerade nicht fressen im Gänsemarsch hintereinander. Die geduldete Individualdistanz zueinander ergibt sich aus dem sozialen Beziehungsstatus der Tiere. Befreundete Pferde grasen eher in der Nähe oder zum Teil sogar mit direktem Körperkontakt zu ihren Freund*innen, während zu anderen immer ein gewisser Abstand eingehalten wird. Der Haflinger im Hintergrund versucht hier mit seiner ausgeprägten Drohmimik mit angelegten Ohren das unerwünschte Herdenmitglied von sich fern zu halten.

Soziales Grasen # 2

Gut einen Scout zu haben

 

Fühlen sich Pferde in ihrer Umgebung sicher, so lockert sich die geschlossene Formation und die Abstände werden größer. Dies ist vor allem möglich wenn ein bestimmtes Pferd, wie hier die Haflingerstute Dinah die Rolle der „Aufpasserin“ und Erkundungspostens, des sogenannten Scouts übernimmt. Pferdische Scouts haben ihre „Antennen“ stets auf Empfang gestellt und besetzen so wichtige Schlüsselpositionen in einer Pferdeherde. Diese Charaktertypen haben ihre Umgebung immer etwas genauer im Blick als die anderen und alle Herdenmitglieder achten sehr genau auf die mögliche Alarmbereitschaft ihres Scouts.

Soziales Grasen # 3

Entwicklung des Gemeinschaftsgefühls

 

Gemeinsames Kauen entspannt die Pferde und über den Austausch von Blicken, Zwinkern oder schlicht über die Ausrichtung ihres Körpers und des Kopfes halten sie Kontakt zu ihren Artgenoss*innen. Das Hinwenden zu ihrem Gegenüber signalisiert Interesse und Anteilnahme an den Handlungen der anderen Herdenmitgliedern. Die Kauschläge gleichen sich aneinander an und ermöglichen so eine weitere unbewusste Kommunikationsebene.

Soziales Grasen # 4

Spiegeln beim Grasen

 

Eine weitere typische Verhaltensweise beim Grasen ist die parallele Fressposition. Beide Köpfe befinden sich fast exakt auf gleicher Höhe. Das gegenseitige Spiegeln der Bewegung oder Position ist eine weitere Methode der Gemeinschaftsbildung in Gruppen. Auf der Basis gegenseitiger Sympathie entwickelt sich so eine Synchronisation der Verhaltensweisen und stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl. Dieses Phänomen wurde auch bei uns Menschen schon bei vielen wissenschaftlichen Untersuchungen beobachtet. So beginnen auch wir die Gestik, Körperhaltung und sogar die sprachliche Ausdrucksweise unseres Gegenübers zu spiegeln, je sympathischer wir ihn finden.

Soziales Grasen # 5

Fokus der Aufmerksamkeit

 

Erregt etwas die Aufmerksamkeit eines Herdenmitglieds, so werden die anderen Tiere diesem Vorbild mit ihren Blicken und der Körperhaltung folgen. Hier auf dem Foto blicken beide Pferde gemeinsam in dieselbe Richtung – sie sind aufmerksam, aber nicht aufgeregt oder gar ängstlich. So wird ein gemeinsamer Fokus der Aufmerksamkeit gebildet für den der Vorgang der Nahrungsaufnahme kurz unterbrochen wird. Ist der Außenreiz uninteressant oder wird von allen als ungefährlich eingestuft, so wendet man sich wieder dem gemeinsamen Grasen zu.

Soziales Grasen # 6

Hinwendung beim Grasen

 

Erneut wenden sich die beiden Weidepartner*innen einander zu. Typisch für die kleinen Details im Herdenverhalten ist auch, dass die einzelnen Herdenmitglieder nicht stundenlang neben genau demselben*derselben Partner*in verbleiben, sondern mehr oder weniger systematisch ihre Lieblingskontakte abgehen. Sie nehmen mit jedem favorisierten Herdenmitglied Kontakt auf und binden ihr Gegenüber so in die Gruppenstruktur mit ein. Es ist wie auf einer kleinen Party, die Gäst*innen schlendern mit ihrem Snack in der Hand von einem*einer interessanten Gesprächspartner*in zum nächsten und verweilen dort wo sie sich am wohlsten fühlen etwas länger.

Conclusio

Kommunikation ist Interaktion

 

Der Sinn einer jeden Kommunikation in der Pferdeherde ist der Informationsaustausch und die Übertragung von Stimmungen, Wünschen und Absichten der einzelnen Herdenmitglieder. Herden sind immer dann besonders harmonisch und ausgeglichen, wenn die Mitglieder der Gruppe ähnliche Kommunikationsformen pflegen. Dies ist meist der Fall, wenn sich die Tiere gegenseitig ergänzen, ähnliche Pferdetypen zusammenkommen oder die einzelnen Mitglieder schon in der Fohlenzeit ein anregendes Sozialverhalten kennengelernt haben. Pferde sind hochsoziale Herdentiere, ihr Ausdrucksverhalten ist so differenziert, dass sie in der Lage sind auch auf relativ engem Raum nicht nur miteinander in Kontakt zu treten, sondern auch als Kollektiv gemeinsam zu agieren. Wenn wir den Pferden in unserer Obhut die Möglichkeit geben sich frei mit ihrer Gruppe bewegen zu können und sie ihrer Natur entsprechend freien Zugang zu ihrem Grasbuffet erhalten werden sie erst die soziale Vielfalt einer Pferdeherde erleben. Und wir können uns an der Vielzahl an kleinen Verhaltensdetails und ihrem Zusammenspiel erfreuen,wenn wir ihre immerwährende Picknickgesellschaft beobachten dürfen.

Alles Liebe für den Moment, Marlitt

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Marlitt Wendt

 

 

Ich bin Verhaltensbiologin und eine Pionierin auf dem Gebiet des Trainings mit positiver Verstärkung für Pferde. Das was zunächst als private Leidenschaft begann, ist seit fast 20 Jahren meine Berufung. Ich habe meinen Traum verwirklicht und durfte mein Wissen und meine Erfahrung als Autorin in vielen Sachbüchern und Fachartikeln veröffentlichen und als Dozentin auf Seminaren im gesamten deutschsprachigen Raum in der Praxis umsetzen. RPlus ist nun die Quintessenz meiner bisherigen Arbeit. Mit RPlus als Idee, positive Verstärkung in ihrer Gesamtheit darzustellen und den Grundgedanken des Gebens wirklich zu leben, veröffentliche ich hier lerntheoretische Inspirationen, meine eigenen Ausbildungskonzepte und persönliche Einblicke in meine Pferdewelt.

Conny Ranz

 

 

Ich bin Pferdefotografin und Grenzgängerin. Mit meiner Kamera bewege ich mich zwischen den Welten. Zwischen Tier und Mensch, zwischen Traum und Realität. Pferde ihrer Natur entsprechend in ihrer ganzen Persönlichkeit zu zeigen, begeistert mich damals wie heute. Dazu bin ich unter anderem europaweit auf den Spuren der Wildpferde unterwegs. Diese Begegnungen erwecken stets den Mut zur Freiheit in mir. Mit meinen Bildern durfte ich bereits an einigen Buchprojekten namhafter Verlage sowie in diversen Pferdemagazinen mitwirken. Vor allem aber verleihe ich damit unserem gemeinsamen Herzensprojekt RPlus aus vollster Überzeugung Flügel.

AUTHOR: Marlitt Wendt