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RPlus | Reiten und RPlus
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Die wichtigsten Grundsätze für mehr positive Verstärkung beim Reiten

 

Reiten ist das Ziel und die Verwirklichung einer Sehnsucht, die eigentlich jede*n von uns in der Vergangenheit zu diesen wundervollen Tieren geführt hat. Aber was bedeutet dieser Traum für unser Pferd und wie empfindet es seine Rolle als „tragendes Element“ in dieser Beziehung? Allein durch unsere Position oben auf dem Pferd, unser Gewicht, welches auf dessen Rücken einwirkt, werden wir von den Tieren mehr oder weniger stark als Störfaktor oder aber als unterstützende Hilfe wahrgenommen. Physikalisch gesehen wird Druck als Krafteinwirkung pro Fläche definiert. Je mehr Gewicht also auf einer kleinen Fläche lastet, desto stärker und punktueller wird der Druck empfunden. Diesen Mechanismus des Ausübens von Druck möchten wir ja eigentlich im positiven Pferdetraining vermeiden, aber traditionell machen wir uns diesen Effekt beim Reiten immer zunutze. Wir bringen das Pferd etwa mit unserer Gewichtshilfe dazu, dass es kurz und minimal aus dem Gleichgewicht gerät und es sich intuitiv so bewegt, dass es seine Balance gleich wiederfindet. Dazu muss der*die Reiter*in natürlich eine sehr gute Körperbeherrschung haben, um das Pferd nicht mit widersprüchlichen Gewichtsverlagerungen oder unkontrollierten Bewegungen zu verwirren.

Komponente der negativen Verstärkung

 

Da wir uns auf dem Pferderücken ja nicht in Luft auflösen können, bleibt das Phänomen „Gewicht des*der Reiter*in auf definierter Fläche des Pferderückens“ als Druckkomponente immer bestehen. Wollen wir fair und pferdefreundlich reiten und den Fokus auf die positive Verstärkung nicht verlieren, ist es aus meiner Sicht wichtig, den mitschwingenden Eindruck der negativen Verstärkung nicht zu vergessen. Negative Verstärkung ist wissenschaftlich gesehen, das Verschwinden (Subtrahieren, Wegnehmen) von etwas Unangenehmen. Das Pferd lernt dabei über das gute Gefühl, eine schlechte Empfindung vermieden zu haben. Das bedeutet nicht, dass diese empfundene „Unannehmlichkeit“ enorm negativ sein muss.

Der Schlüssel zur harmonischen Reitkunst

 

Ich erinnere daran: Allein dadurch, dass wir auf dem Rücken Platz nehmen, wird es eine Empfindung zu unserem Gewicht haben. Es gezielt einzusetzen um dem Pferd eine wirkliche Hilfe zu sein und zu erfassen, in welche Richtung wir uns gemeinsam bewegen möchten oder welches Tempo gerade gefragt ist, das ist der Schlüssel zu einer harmonischen Reitkunst.

Und die positive Verstärkung?

 

Die positive Verstärkung hilft uns dabei, dass unser Gewicht auch wirklich als Hilfe verstanden wird und die so gegebenen Berührungssignale freudig ausgeführt werden. Dazu möchte ich hier einige für mich grundsätzliche Bedingungen vorstellen:

Das Reiter*innengewicht muss positiv besetzt sein

 

Bei jedem Jungpferd beginne ich mit der klassischen Konditionierung: Ich möchte das Reiter*innengewicht an und für sich als etwas Gutes im Pferdegehirn verankern. Bedeutet, dass ich zunächst gar nicht wirklich reite, sondern das Pferd quasi mit Futter, Streicheleinheiten, Lob und Zuwendung belohne, sobald der*die Reiter*in auf dem Rücken Platz genommen hat. Die gewünschte Assoziation die hierbei entstehen soll: Ich spüre den*die Reiter*in und das bedeutet Freude für mich. In dieser Phase ist der*die Reiter*in gar nicht aktiv, sondern lediglich ein passiver Passagier. Als würden wir unsere bereits als angenehm erfahrene Bodenarbeit machen, geben wir vom Boden aus die schon bekannten Signale und das Pferd kann sich so ausschließlich an das Reiter*innengewicht gewöhnen. Im Idealfall sollte möglichst bald ein*e geschickte*r, erfahrene*r Reiter*in diese Aufgabe übernehmen. Zum einen um die Belohnungen gezielt von oben überreichen zu können, zum anderen um den nächsten Arbeitsschritt und Grundsatz einzuleiten:

Die Gewichtshilfen werden eingeschlichen

 

Damit unser Pferd weiterhin ein intuitives Lernerlebnis erfährt, kann ein*e Reiter*in nun einfach „nebenbei“ die späteren Hilfen einbauen. Das Pferd richtet sich beispielsweise aktuell im Seitengang an der Führperson aus. So übernimmt der*die Reiter*in die Signalgebung mit seinen Gewichts- und Schenkelhilfen und die Person am Boden deutet das jeweilige Signal nur noch an. Ab diesem Zeitpunkt ist es vorteilhaft, wenn die Belohnungen so viel wie möglich vom*von der Reiter*in und nicht mehr von der Führperson überreicht werden, um langsam die Aufmerksamkeit des Pferdes auf den*die Reiter*in zu lenken. Es geht also nicht darum mit der Gewichtshilfe oder dem Schenkel immer mehr Druck zu machen bis das Pferd reagiert, sondern wir versuchen die kleinste spürbare Gewichtsverlagerung zu finden und diese dann zu bestätigen. Denn es gilt:

Wir verwenden nur Hilfen, die dem Pferd nicht unangenehm sind

 

Das Pferd soll sich unter dem*der Reiter*in wohlfühlen, daher wählen wir unsere Hilfen so aus, dass sie vom Pferd nicht als negativ wahrgenommen werden. Eine Reiter*innenhilfe soll keine Bedrohung darstellen im Sinne von „Wenn Du nicht gehorchst, dann passieren schreckliche Dinge“, sondern lediglich eine im Idealfall neutrale Information. Ob unsere Einwirkung als angenehm oder unangenehm empfunden wird, können wir gut an der Körpersprache und Mimik ablesen. Bleibt das Pferd weich in seinen Bewegungen und freudig in seiner Mimik, so können wir wohl zu Recht davon ausgehen, dass wir auf dem richtigen, dem positiven Weg sind. Zeigt unser Pferd dagegen Meide- und Abwehrverhalten und legt etwa die Ohren an oder schlägt gar mit dem Schweif, so empfindet das Tier die Reiter*innenhilfen als eher unangenehm.

Hilfen sollen Signalcharakter haben

 

Damit eine Reiter*innenhilfe dem Pferd wirklich eine Information übermittelt, sollte sie nicht permanent fortgeführt werden. Nur wenn wir wirklich etwas mitzuteilen haben, ergibt ein Informationsimpuls Sinn. Daher ist es als Reiter*in wichtig, die eigene Nullposition von der jeweiligen richtungsweisenden Hilfe unterscheiden zu können. Nur so kann das Pferd aufmerksam bleiben und lernt daraufhin eine Vielzahl an möglichen Hilfen auch in der Kombination kennen. Denn wichtig ist auch:

Hilfen werden erst isoliert trainiert, dann kombiniert

 

Im positiven Pferdetraining versuchen wir möglichst immer nur einen Aspekt im Fokus zu behalten, an dem wir aktuell arbeiten und erst dann nach und nach die Hilfen miteinander zu kombinieren. Auch aus diesem Grunde versuche ich beispielsweise zunächst nur die Gewichtshilfen zu konditionieren, bevor ich die Zügelhilfen dazunehme.

Nicht in Druckstufen-Training verfallen

 

Die meisten von uns habe Reiten wahrscheinlich in einem traditionellen Reitunterricht gelernt. Dabei lernt fast jede*r Reiter*in standardmäßig den Druck zu erhöhen, also die Hilfen bei Bedarf weiter zu intensivieren. Wir müssen immer im Hinterkopf behalten, dass erst die Konsequenz, also die Belohnung ein gewünschtes Verhalten aufrecht erhält. Natürlich sollten wir, wenn unser Leben in Gefahr ist oder das von Jemand anderem alles dafür tun, eine sofortige Reaktion vom Pferd zu erhalten. In solchen Momenten ist es sicher sinnvoll, die Hilfen zu intensivieren bzw. den Druck zu erhöhen. Es wird uns nur im alltäglichen Training nicht weiterhelfen. Nur wenn eine Hilfe wirklich als Signal verstanden wird, also einen positiv belegten Aufforderungscharakter hat, wird das Pferd freudig reagieren. Das bedeutet mit einem minimalen Impuls sind wir als Reiter*in in der Lage das Signal eindeutig zu übermitteln und nehmen gleichzeitig so sanft Einfluss, dass es das Pferd zwar wahrnimmt, aber nicht als störend oder negativ empfunden wird. Dazu sind einiges an Fingerspitzengefühl und viele viele Belohnungsmomente nötig!

Eine lange Belohnungshistorie aufbauen

 

Nur wenn jede einzelne Reiter*innenhilfe zu einer für das Pferd als erstrebenswerte Belohnung führt und diese auch eindeutig mit seinen ausgeführten Handlungen assoziiert, kann man vom Reiten mit positiver Verstärkung sprechen. Das bedeutet beispielsweise, dass ich in der frühen Ausbildungsphase jedes „schneller“ auf eine bestimmte Schenkelhilfe hin sofort markere und mit Futter belohne. Ich möchte auf diese Weise ein prompt reagierendes Pferd unter mir spüren. Es soll sozusagen gierig auf die Hilfe warten, um sich endlich einen „Keks“ verdienen zu können. So jedenfalls die Idealvorstellung. Und an dieses Ideal können wir uns nur herantasten, wenn wir bereit sind wirklich sehr viele Wiederholungen durchzuführen, bis diese Erfolgsmomente mit dem Muskelgedächtnis von Pferd und Reiter*in eine Einheit bilden.

Kleinste Schritte zählen

 

Wie auch immer man es nennen will, „Babysteps“, Minischritte oder sukzessive Modifikation, bilden die Basis der positiven Pferdeausbildung, nämlich nie zu viel auf einmal zu erwarten. Wer sein Pferd unterstützend in seinen kleinen Schritten begleitet, wird nachhaltige Erfolge und Verbesserungen erzielen. Das Pferd lernt bei der positiven Verstärkung am Erfolg, das dürfen wir nie vergessen. Also geben wir ihm möglichst viele Gelegenheiten auf einfache Lösungen zu kommen und so viele kleine Erfolgserlebnisse zu haben.

Fokus auf wegweisende Hilfengebung

 

Auch in der traditionellen Reiterei besteht eine Reiter*innenhilfe meist aus verschiedenen Komponenten. Der*Die Reiter*in kann im Prinzip gar nicht nur mit dem äußeren Schenkel Druck machen, ohne innen wegweisend aus dem Becken heraus zu öffnen. Beim Reiten mit RPlus ist es nun wichtig sich auf die wegweisende Hilfe zu konzentrieren. Also auf das wohin das Pferd gehen soll, auf das Ziel unserer Aufforderung. Und eben nicht auf das treibende Element im engeren Sinne. Wir bauen also mit unserem System der Hilfen letztlich eine Sogwirkung auf, der das Pferd folgen kann. Es soll also schon aus einer leichten Körperdrehung heraus etwa erkennen „Ah super, dahin wollen wir also“ und sich direkt daran orientieren. Ganz im Sinne der feinen Hilfengebung öffnen sich so einladende Wege für Pferd und Reiter*in.

Selbst ein Ziel haben

 

Die wegweisende Hilfengebung funktioniert dann am besten, wenn wir selbst unser Ziel klar vor Augen haben. Sowohl vor dem inneren Auge als auch ganz wörtlich gemeint über unsere Blickrichtung. Wohin wir unseren Blick wenden hat einen Einfluss auf das Pferd. Es folgt unserem Blick wenn wir fokussierend einen bestimmten Punkt betrachten, es richtet seine Aufmerksamkeit mehr auf das Fühlen wenn wir unseren Blick schweifen lassen.

Reiten ist ein Bewegungsdialog

 

Reiten lernen ist für uns Reiter*innen wie eine Melodie die uns ein Leben lang begleitet, ebenso wie das „Geritten werden“ für unser Pferd eine Lebensaufgabe darstellt. Diesen Weg aktiv und positiv zu gestalten ist mir ein Herzensanliegen. Denn nur so kann dieses wunderbare Gefühl entstehen, wenn zwei Körper einander begleiten auf ein gemeinsames Ziel hin und sich emotional berühren und verstehen. Ein inniger Bewegungsdialog bei dem nicht nur das Pferd unsere Zeichen versteht, sondern wir auch in unser Pferd hineinfühlen und so wirklich erfassen, welche Bewegungen dem Pferd leichtfallen und welche eher anstrengend oder schwierig sind. So wachsen wir mental mit unserem*unserer Partner*in und entwickeln ein Verständnis für die körperlichen Qualitäten und Besonderheiten des*der Anderen.

Ein harmonisches Miteinander wünscht euch Marlitt

Positive Verstärkung leben

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Marlitt Wendt

 

 

Ich bin Verhaltensbiologin und eine Pionierin auf dem Gebiet des Trainings mit positiver Verstärkung für Pferde. Das was zunächst als private Leidenschaft begann, ist seit fast 20 Jahren meine Berufung. Ich habe meinen Traum verwirklicht und durfte mein Wissen und meine Erfahrung als Autorin in vielen Sachbüchern und Fachartikeln veröffentlichen und als Dozentin auf Seminaren im gesamten deutschsprachigen Raum in der Praxis umsetzen. RPlus ist nun die Quintessenz meiner bisherigen Arbeit. Mit RPlus als Idee, positive Verstärkung in ihrer Gesamtheit darzustellen und den Grundgedanken des Gebens wirklich zu leben, veröffentliche ich hier lerntheoretische Inspirationen, meine eigenen Ausbildungskonzepte und persönliche Einblicke in meine Pferdewelt.

Conny Ranz

 

 

Ich bin Pferdefotografin und Grenzgängerin. Mit meiner Kamera bewege ich mich zwischen den Welten. Zwischen Tier und Mensch, zwischen Traum und Realität. Pferde ihrer Natur entsprechend in ihrer ganzen Persönlichkeit zu zeigen, begeistert mich damals wie heute. Dazu bin ich unter anderem europaweit auf den Spuren der Wildpferde unterwegs. Diese Begegnungen erwecken stets den Mut zur Freiheit in mir. Mit meinen Bildern durfte ich bereits an einigen Buchprojekten namhafter Verlage sowie in diversen Pferdemagazinen mitwirken. Vor allem aber verleihe ich damit unserem gemeinsamen Herzensprojekt RPlus aus vollster Überzeugung Flügel.

AUTHOR: Marlitt Wendt