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RPlus | Shaping im Detail
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Prompting und Fading

 

Der Shaping-Prozess ist ein besonders spannender Bereich des Trainings mit positiver Verstärkung. Shaping bedeutet die sukzessive Verhaltensformung, also eine durch Belohnungen begleitete schrittweise Annäherung an das gewünschte Zielverhalten. Wir können so unserem Pferd rein über die Rückmeldung mit dem Markersignal und den Belohnungen eine Spur aufzeigen, es sanft leiten und ihm ein unterstützendes Feedback geben, dass es sich auf dem richtigen Weg befindet. Das allein macht aber eine*n professionelle*r Pferdetrainer*in nicht aus. Damit weniger Fehler entstehen und wir schneller zum Ziel kommen, ist es entscheidend sich mit dem sogenannten Prompting (Hinweise geben) und Fading (Hinweise verblassen lassen) zu beschäftigen. Prompting meint all das, was ein*e geschickte*r Trainer*in unternehmen kann, um den Trainingsprozess mit gezielten Anregungen unterschiedlicher Art zu begleiten. Diese einmal eingeführten Hilfestellungen für das Pferd werden später im Trainingsprozess, wenn das Zielverhalten erreicht ist, vom eigentlichen Signal ersetzt und verschwinden dann in dem sich anschließenden Fading-Prozess.

Hinter den Kulissen

 

Prompting und Fading sind etwa die Aspekte des Lernsprozesses, die wir aus den Proben für ein Theaterstück oder dem Training für eine Zirkusaufführung kennen. Da wird der*die Schauspieler*in bzw. Artist*in zunächst nicht komplett alleingelassen, sondern beispielsweise durch einen Teleprompter (gleicher Wortstamm ;-)) durch seine Textpassagen geführt, über Bodenmarkierungen auf den richtigen Platz auf der Bühne geleitet oder aber von einem*einer anderen Artist*in mit einem Seil gesichert. Auch später gibt es eine solche Hilfestellung oft in Form der „Souffleur*innen“ im Theater, die leise ein Stichwort flüstern, wenn der*die Schauspieler*in einen Texthänger hat und für einen Moment nicht mehr weiter weiß. Natürlich werden all diese Hilfestellungen und Hinweisreize im Verlauf der Proben immer mehr ausgeschlichen und entfernt, damit die Zuschauer*innen später eine möglichst perfekte Aufführung „ohne Netz und doppelten Boden“ erleben können.

Gezielter Einsatz von Lernhilfen

 

Im Trainingsverlauf soll das Pferd ja immer lernen ein genau definiertes Verhaltenselement auf ein unmissverständliches Signal hin, aber eben auch an einem von uns gewähltem Ort oder zu einem bestimmten Zeitpunkt zu präsentieren. Der*Die geschickte Trainer*in wendet hier unterschiedliche Arten von Prompts an, um den Shaping-Prozess zu beschleunigen und die Fehlerquote möglichst gering zu halten. Die unterschiedlichen Kategorien von Lernhilfen gliedern sich in die sogenannten Umgebungs-Prompts oder Stimulusprompts und außerdem in die sogenannten Response-Prompts, die der*die Trainer*in mit seinem eigenen Verhalten verwendet.

Oder Stimulus-Prompts

 

Solche Stimulus-Prompts verwenden wir sehr oft bei der Arbeit mit Pferden ohne uns dessen wirklich bewusst zu sein. Schon klassische Pferdeausbilder*innen haben beim Freispringen die Gasse in der das Pferd zum Sprung hin laufen soll mit Flatterband abgesperrt. Eine solche Gasse gibt so einen einzigen möglichen Weg vor und verhindert Fehlentscheidungen des Pferdes. Diese Vorgehensweise dürfen wir natürlich auch im positiven Pferdetraining nutzen. Wir können etwa das freie Zirkeln des Pferdes um uns herum mit Hilfe eines geschickt gewählten Umgebungs-Prompts für unser Pferd in eine leicht verständliche Aufgabe verwandeln. Dazu markieren wir die gedachte Kreisbahn mit am Boden liegenden Cavalettis und verdeutlichen so eindeutige Funktionsbereiche, nämlich den Bereich für den Menschen innen und den äußeren Laufweg für das Pferd. Hat das Pferd dieses räumliche Prinzip einmal verstanden, so können wir etwa nur noch bestimmte Punkte dieser Kreisbahn mit kleinen Pylonen markieren, bis wir schließlich nur noch einen in den Sand gezeichneten Kreis anbieten. Unsere fast unsichtbare „Bühnenmarkierung“ kann dann für das fortgeschrittene Pferd entfernt werden, wenn es das Setting für das freie Zirkeln verinnerlicht hat.

Die Körpersprache des*der Trainer*in

 

Das Pferd wird sich im Verlauf des Trainings immer auch an unserem eigenen Verhalten, unseren Handlungen und unserer Körpersprache orientieren. Es kann gar nicht anders, da es als soziales Lebewesen darauf ausgerichtet ist zu kommunizieren und die Absichten Anderer zu deuten. Daher können wir unser eigenes Verhalten gezielt als Lernhilfe nutzen um eine erwünschte Handlung des Pferdes wahrscheinlicher werden zu lassen. Es gibt dabei verschiedene mögliche Arten der Response-Prompts:

Vormachen: Lernen am Vorbild

 

Pferde orientieren sich sehr gerne an Vorbildern denen sie folgen können. Dieses Vorbild kann entweder ein anderes Pferd oder aber der*die menschliche Trainer*in sein. Wollen wir also, dass unser Pferd über ein Cavaletti springt, können wir zunächst gemeinsam mit ihm über eine am Boden liegende Stande gehen.

Akustische Prompts

 

Neben dem späteren eigentlichen Wortsignal für eine bestimmte Gangart, können wir über Schnalzlaute oder Klatschen als Taktgeber die Ausführung einer Lektion unterstützen. Mein Harry beispielsweise tut sich leichter mit dem Finden des Taktes in der Passage, wenn der Takt von mir rhythmisch deutlich vernehmbar begleitet wird.

Körpersprachliche Prompts

 

Je nachdem wo ich im Augenblick einer Trainingslektion buchstäblich stehe oder wohin ich mich bewege wird die Aufgabe für das Pferd klarer verständlich oder aber unnötig verkompliziert. Ein solcher Response-Prompt könnte beispielsweise die eigene sehr entspannte Körperhaltung sein, wenn man gerade die Ruhe beim Pferd erarbeiten möchte oder aber eine deutliche Körpersnspannung des eigenen Körpers wenn man die Kadenz des Pferdes erhöhen/herauskitzeln möchte

Berührungs-Prompts

 

Mit dieser Art der Lernhilfen arbeite ich persönlich sehr häufig im Training. Ich richte zuerst meinen Blick auf das betreffende Körperteil des Pferdes, welches einen Anteil an der nächsten Übung haben soll und erst dann berühre ich es sanft um dem Pferd einen Hinweis zu geben, welches Vorderbein etwa wann im Spanischen Schritt gehoben werden soll. Bei der Freiarbeit führe ich meinen Harry und bestimme seine Position, indem ich mit meiner Hand Kontakt zu seiner Schulter aufnehme und versuche ihm durch kleinste Änderung der Berührungsintensität meine Absichten zu übermitteln.

Fading: Die Lernhilfen verblassen

 

Einige Lernhilfen können je nach Trainingsziel einfach zum späteren Signal für eine bestimmte Verhaltensweise werden, andere sollen nach und nach ausgeschlichen werden. So wollen wir selbstverständlich später im Trainingsverlauf nicht immer eine Gasse aus Umgebungs-Prompts hin zum Cavaletti aufbauen, sondern lediglich ein subtiles Handzeichen soll als Signal zum Sprung verstanden werden. Damit dieser Übergang von der Hilfestellung zu unserem angestrebten Signal reibungslos funktioniert, ist es wichtig, den Prozess des Fadings, also des Ausschleichens und Verblassens aller Lernhilfen und Prompts zu verstehen.

Prompts langsam verblassen lassen

 

Es ist nicht sinnvoll von einem Trainingsschritt zum nächsten direkt sämtliche Hilfen wegzulassen. Vielmehr geht es beim Fading darum, ganz gezielt immer weniger Lernhilfen zu brauchen. Zum Beispiel, indem die Stangen am Boden, die einen bestimmten Ort markieren nur nach und nach abgebaut werden. Oder aber, indem die Intensität einer Lernhilfe sukzessive verringert wird, aus einer deutlich ausgesprochenen Takthilfe wird ein gehauchtes Flüstern. Eine für jede*n Zuschauer*in sichtbare Bewegung unseres Oberkörpers verwandelt sich in nur leicht angedeutetes Nicken. Je geschickter der*die Trainer*in dabei vorgeht, desto subtiler werden die Hilfen für den*die Beobachter*in ausfallen und desto stärker wird die Illusion einer magischen Verbindung zwischen Pferd und Mensch.

Immer nur einen Prompt verändern

 

Auch wenn wir im Lernprozess zwei oder mehr Lernhilfen gleichzeitig verwenden, werden wir diese immer nur einzeln ausschleichen. Wollen wir etwa als langfristiges Ausbildungsziel das Kompliment nur auf ein zartes Handzeichen hin ausgeführt sehen, so verwenden wir im Trainingsprozess oft viele unterschiedliche Prompts, wie beispielsweise das Locken mit einer Belohnung in unserer Hand, unsere Position als Umgebungs-Prompt direkt auf Höhe der Schulter und eine begleitende Berührung des Vorderbeins beim Absenken ins Kompliment. Der Fading-Regel Nummer 1 folgend würden wir also zur selben Zeit nur ENTWEDER das Locken immer mehr verblassen lassen und es schließlich nur andeuten ODER die Führung der Hand reduzieren. Niemals dürfen wir zwei eingeführte Prompts gleichzeitig verändern.

Zielverhalten definieren

 

Bevor wir überhaupt auf irgendeinen von unseren vielen kleinen Helferlein sprich Prompts verzichten können, sollte man sich nochmal klarmachen, wie das Zielverhalten von beiden – Pferd und Mensch eigentlich aussehen soll. Erst dann kann entschieden werden, welche Prompts in welcher Reihenfolge ausgeschlichen werden sollen bzw. welches Signal schlussendlich für das Pferd der wichtigste Hinweis sein soll. Dabei behalte ich immer das Verhalten des Pferdes genau im Blick. Sein Verhalten soll sich bei diesem Arbeitsschritt, also während des Fading-Prozesses nicht abschwächen. Wir wollen dabei die hilfreichen Hinweise nicht auf Kosten der trainierten Verhaltensweise verblassen lassen. Mir ist es lieber, ich habe eine stabile, direkte und freudige Ausführung des Verhaltens mit zwar vielen noch deutlichen Hinweisreizen, als eine unsichere, chaotische Ausführung des Verhaltens, weil sich das Pferd überfordert fühlt und noch zu wenig von uns geleitet wird.

Bereit für einen Schritt zurück

 

Wenn ich nun bemerke, dass ich zu schnell vorangegangen bin und zu früh erwartet habe, dass mein vierbeiniger Schützling ohne meine Hilfestellungen unser Lernziel verstanden hat, heißt es erst einmal innehalten. Wir müssen unserem Training nun eine neue Richtung geben und zwar die einzelnen Schritte wieder zurückverfolgen. Dazu muss ich natürlich die vielen kleinen Erfolgsstufen auf dem Trainingsweg meines Pferdes kennen um es nicht zu verwirren, weil ich eventuell mehrere Schritte auf einmal zurückgesprungen bin oder eine andere Reihenfolge gewählt habe. Dieser Weg zurück ist wie eine Zeitreise durch unsere gemeinsame Trainingshistorie: Wann habe ich einen bestimmten Prompt eingeführt? Wie überraschend waren einige Trainingserfolge? Oder warum habe ich damals genau in diesem Stadium mit dem Fading begonnen? Es bedeutet eben nicht immer ein Rückschritt, sondern das bewusste Erinnern zeigt, welchen erfolgreichen Weg wir bereits zusammen gehen durften.

Mach‘ dir deine Bewegungen bewusst

 

Da wir uns ja selber nicht im Training in Luft auflösen können, sind wir und unser Körper, unsere Bewegungen und unser Ausdruck immer mehr oder weniger hilfreiche Umgebungsreize für unser Pferd. Oft hilft es beispielsweise sich eine Bewegung nicht isoliert als Lageveränderung eines bestimmten Körperteils vorzustellen, sondern als dynamische Bewegung des gesamten Körpers. Es ist nicht möglich den Arm zu bewegen ohne auch die Muskeln im Brustkorb zu straffen, wir können nicht stehen, ohne die Füße in einer ganz bestimmten Stellung zu haben. Nur wenn wir unsere eigenen Bewegungsmuster so gut wie ein*e Tänzer*in kennen, können wir sie bewusst verändern und schon kleinste Nuancen wahrnehmen. Wir können so etwas mehr Spannung in den Arm bringen ohne gleich mit Anspannung in den Beinen zu reagieren oder unsere Atmung besser kontrollieren während wir unser Pferd mit unserer Körpersprache zu mehr Energie motivieren möchten. Das eigene Körpergefühl ist der Schlüssel zu einem gezielten Transfer der Lernhilfen in feinste definierte Signale.

Die unsichtbare Hand

 

Prompting und Fading sind unsere unverzichtbaren Helfer in jedem Shaping-Prozess, weil wir dadurch einen unsichtbaren Rahmen abstecken können, in dem sich die vorhersehbaren Reaktionen des Pferdes für uns bewegen. Wenn wir uns dazu entschieden haben das Prompting und Fading als essentiellen Bestandteil unserer gemeinsamen Lernerfahrung zu machen, besitzen wir nicht nur ein mächtiges Werkzeug für unser Training, sondern haben dadurch auch die Möglichkeit unsere Beziehung zu dem Pferd zu stärken. Denn eine sanfte Ausbildungsmethode beschert uns zu den gemachten Fortschritten zusätzlich viele Momente, die sich für Mensch und Pferd einfach gut anfühlen und uns Sicherheit geben. Unsere Unterstützung auf dem Lernweg des Pferdes ist wie die Hand die uns damals half als wir selber das Laufen lernten. Wir konnten uns darauf verlassen, dass sie uns sanft stützte, begleitete und auffing, wenn wir stolperten. Sie war immer da, auch als wir sie schon nicht mehr wirklich benötigten und als sie uns nicht mehr hielt, fühlten wir doch immer noch ihre Wärme.

Ein wundervolles Beisammensein wünsche ich euch, Marlitt

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Marlitt Wendt

 

 

Ich bin Verhaltensbiologin und eine Pionierin auf dem Gebiet des Trainings mit positiver Verstärkung für Pferde. Das was zunächst als private Leidenschaft begann, ist seit fast 20 Jahren meine Berufung. Ich habe meinen Traum verwirklicht und durfte mein Wissen und meine Erfahrung als Autorin in vielen Sachbüchern und Fachartikeln veröffentlichen und als Dozentin auf Seminaren im gesamten deutschsprachigen Raum in der Praxis umsetzen. RPlus ist nun die Quintessenz meiner bisherigen Arbeit. Mit RPlus als Idee, positive Verstärkung in ihrer Gesamtheit darzustellen und den Grundgedanken des Gebens wirklich zu leben, veröffentliche ich hier lerntheoretische Inspirationen, meine eigenen Ausbildungskonzepte und persönliche Einblicke in meine Pferdewelt.

Conny Ranz

 

 

Ich bin Pferdefotografin und Grenzgängerin. Mit meiner Kamera bewege ich mich zwischen den Welten. Zwischen Tier und Mensch, zwischen Traum und Realität. Pferde ihrer Natur entsprechend in ihrer ganzen Persönlichkeit zu zeigen, begeistert mich damals wie heute. Dazu bin ich unter anderem europaweit auf den Spuren der Wildpferde unterwegs. Diese Begegnungen erwecken stets den Mut zur Freiheit in mir. Mit meinen Bildern durfte ich bereits an einigen Buchprojekten namhafter Verlage sowie in diversen Pferdemagazinen mitwirken. Vor allem aber verleihe ich damit unserem gemeinsamen Herzensprojekt RPlus aus vollster Überzeugung Flügel.

AUTHOR: Marlitt Wendt