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RPlus | Wie Pferde lernen
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Pferdeausbildung verstehen

 

Dass Pferde nicht wie Menschen denken, ist sicher jedem*jeder Reiter*in klar. Die Konsequenzen dieser Tatsache sind jedoch weitreichender, als man auf den ersten Blick annehmen mag. Das Gehirn und die Sinnesorgane der Pferde sind anders gestaltet als bei uns Zweibeinern, ihr Lebensraum, ihre Nahrung und Bedürfnisse unterscheiden sich von unseren, sie leben in einem anderen sozialen Gefüge mit einem speziellen Miteinander, haben besondere Gepflogenheiten und lernen auch anders als wir.

Das Pferd hat immer recht

 

Wollen wir nun unsere Pferde pferdegerecht ausbilden, gilt es uns so weit wie möglich in sie hinein zu versetzen, ihre Sichtweise zu verstehen und mit ihnen gemeinsam zu agieren. Eine alte Reiter*innenweisheit besagt „Das Pferd hat immer recht“. Damit ist gemeint, dass Pferde sich immer so verhalten, wie es ihre Natur, ihr Entwicklungsstand und ihre Erfahrungen es ihnen ermöglicht. Egal, ob der*die Betrachter*in ihr Verhalten versteht oder gutheißen kann, sie tun immer das, was sich für sie in ihrer Erlebniswelt richtig anfühlt. Um das Verhalten eines Tieres wirklich verstehen und beeinflussen zu können, muss man sich immer fragen, „Warum macht mein Pferd das?“, oder „Was sind seine Beweggründe?“

Man merkt nie, was schon getan wurde, man sieht immer nur, was noch zu tun bleibt. Marie Curie

Denkvermögen von Mensch…

 

Um sich die Motivation unseres Pferdes besser erklären zu können, ist es wichtig sich sowohl die Gemeinsamkeiten als auch die Unterschiede im Denkvermögen zwischen Pferd und Mensch bewusst zu machen. Unser menschliches Gehirn filtert die Informationen aus der Umwelt sehr effektiv, das bedeutet, dass für unwichtig erachtete Details ausgeblendet werden.

…und Pferd

 

Pferde sind dagegen wahre Meister*innen im gleichzeitigen Wahrnehmen der Gesamtheit aller wahrgenommenen Außenreize. Sie nehmen sehr viele Details mit seinen scharfen Sinnesorganen wahr, filtern und gewichten diese Reize jedoch anders als wir. Unser Pferd wird also sehr stark von seiner momentanen Wahrnehmungswelt beeinflusst, so sieht es die Reiter*innengruppe in der Ferne, hört das Quietschen des Weidetores, nimmt den Duft des leckeren Grases und unsere Zügelhilfe gleichzeitig wahr. Während wir Menschen uns also in dieser Situation nur auf unsere Zügelhilfe und das damit verbundene reiterliche Ziel konzentriert haben, ist unser sensitives Pferd mit einer Vielzahl von Sinneseindrücken beschäftigt.

Erleben in der Gesamtheit vs. Logik

 

Ebenso sind wir Menschen beispielsweise in weitaus größerem Umfang als das Pferd in der Lage Sinnzusammenhänge logisch zu verknüpfen. Wir wissen natürlich, dass wir in einer Reitstunde auf dem Reitplatz etwa die Zügelhilfen verfeinern möchten und der auffliegende Fasan auf dem Feld nebenan nichts mit dieser Aufgabenstellung zu tun hat. Unser Pferd nimmt jedoch die Situation in ihrer Gesamtheit wahr und könnte nun den auffliegenden Vogel mit unseren Zügelhilfen in Verbindung setzen. Während Pferde also vermehrt aus dem Gesamtkontext und ihren dabei empfundenen Emotionen ihre Rückschlüsse ziehen, bewerten wir Situationen im Lichte unserer vorgefassten Zielvorstellungen.

Was Pferde brauchen

 

Macht man sich dieses Phänomen bewusst, so wird klar, dass Pferde in der Ausbildung die Gelegenheit brauchen möglichst viele Erfahrungen in verschiedenen Kontexten zu machen, Lektionen häufig genug wiederholt werden und unsere Hilfen eindeutig für das Pferd wiederzuerkennen sind. Sie brauchen etwa Übungseinheiten auf dem Reitplatz ebenso wie Einheiten im Gelände, da sie Erlerntes nicht ohne weiteres von einem Umfeld in ein anderes übertragen können. Für Pferde ist jede kleine Bewegung von großer Bedeutung. Stehen wir also einmal links neben unserem Pferd und geben das Haltsignal mit erhobener Hand, so kann es sein, dass es dieses Signal ein anderes Mal von der rechten Seite gegeben nicht versteht. Es ist oft nicht in dem selben Maße wie wir in der Lage die Bedeutung von neu eingeführten Signalen zu verallgemeinern. Das Pferd erkennt also die Muster in unseren reiterlichen Hilfen und Umgangsformen erst wenn wir eindeutig handeln und ihnen die Gelegenheit geben Lerninhalte in ihrem Tempo oft zu wiederholen und Übungen in verschiedenen Lernumfeldern zu erleben.

Lernvermögen als Anpassung an die Lebensrealität

 

Pferde lernen, um ihr eigenes Verhalten zu optimieren und an veränderte Lebensbedingungen anpassen zu können. In der freiem Natur erhöhen sie dadurch ihre eigene Überlebenswahrscheinlichkeit und erhalten den eigenen Gesundheitszustand so angenehm wie möglich. Pferde lernen jene Verhaltensweisen am effektivsten, die sich langfristig lohnen oder aber in der Vergangenheit schon einmal gelohnt haben. Die Grundprinzipien nach denen sich die Veränderung des Pferdeverhaltens – also ihr Lernenvermögen – richtet, gelten ebenso bei uns Menschen wie bei sämtlichen anderen höher entwickelten Wirbeltieren.

Die Lerngesetze

 

Man nennt diese Grundprinzipien deshalb auch Lerngesetze, da sie wie die Gesetze der Physik unter bestimmten Bedingungen immer zutreffen. Ebenso sicher wie ein Gegenstand durch die Schwerkraft auf den Erdboden fällt, wird ein gesundes Pferd aus jeder Situation etwas lernen. Es gibt keine lernfreie Zone im Pferdeleben, das Lernen findet ständig statt, auch wenn wir uns manchmal vielleicht wünschen würden, das Pferd würde nicht immer seinen „Lernempfang“ eingeschaltet haben. Denn unsere intelligenten Vierbeiner*innen lernen zum Beispiel schon das Scharren mit dem Vorderhuf, wenn wir es daraufhin mit unserer Aufmerksamkeit belohnen.

Freundschaftliche Beziehung aufbauen

 

Pferde sind äußerst soziale Lebewesen, sie leben in sehr stabilen Gruppengefügen, deren stärkstes Attribut die Freundschaftsbeziehungen sind. Befreundete Pferde verbringen nicht nur sehr viel Zeit miteinander und teilen ihren Alltag, sie lernen auch voneinander. Ein wichtiger Baustein für die Pferdeausbildung ist es, eine freundschaftliche Beziehung mit dem Pferd aufzubauen. Für eine Freundschaft zwischen Pferd und Mensch braucht es neben Geduld und Einfühlungsvermögen vor allem ein Verständnis für die Andersartigkeit des Gegenübers und vorbehaltlose Zuwendung. Pferde lieben es miteinander Zeit zu verbringen, sie genießen zärtliche Berührungen und gemeinsames Umherwandern. Wer also nicht nur zu seinem Pferd kommt, um mit ihm zu trainieren, sondern auch um es zu umsorgen und mit ihm zusammen zu sein, der wird eine starke Partnerschaft zusammen mit seinem Pferd etablieren können.

Bausteine für ein gutes Pferdetraining

 

Der*Die einfühlsame Pferdetrainer*in reduziert seine*ihre Arbeit nicht nur auf die Verfeinerung der aktuellen Lektion und versteift sich nicht auf ein festgefahrenes Lernziel, sondern sieht sich selbst als eine Art Lernbegleiter*in für sein Pferd. Bei dieser Trainingsphilosophie ist der Coach für den Erfolg, aber auch für den Misserfolg des gemeinsamen Trainings verantwortlich. Er wird versuchen sämtliche Lernbedingungen so zu steuern, dass das Pferd motiviert wird aktiv am Lernprozess teilzunehmen. Das Fundament eines harmonischen Miteinanders und die Basis für ein erfolgreiches Pferd-Mensch-Team ergibt sich aus dem Zusammenspiel folgender Lebensbereiche:

Die Pferdepersönlichkeit achten

 

Wir als Pferdefreund*innen sollten Respekt vor den Erfahrungen und der Lebensgeschichte des Pferdes haben. Jedes Verhalten hat seine Ursachen, erwünschtes Verhalten ebenso wie unerwünschtes oder gar Problemverhalten. Respektvolles Pferdetraining bedeutet auch sich auf die Bedürfnisse des Pferdes einzustellen und Mangelsituationen auf den Grund zu gehen. Pferde arbeiten immer dann besonders zuverlässig mit, wenn sie von ihrem Coach bewusst dazu angeleitet werden, Einfluss auf ihr Wohlbefinden zu nehmen und die Lerngeschwindigkeit selbst steuern zu können. Der*Die Trainer*in überlässt dem Tier dabei bewusst die freie Wahl mitzuarbeiten oder aber auch sich zurückzuziehen. Pferde vertiefen auf diesem Wege ihr Vertrauen in den Menschen, da sie merken, dass nicht über sie bestimmt wird. Diese freiwillige Lernatmosphäre führt zu nachhaltigen Erfolgen und schließt so eine Überforderung des Pferdes aus.

Kommunikation schafft Vertrauen

 

Kommunikation bedeutet der Austausch von Meinungen, Befindlichkeiten oder Absichten. Nur wer zum einen in der Lage ist zu verstehen, wie sich das Pferd fühlt und zum anderen sich selbst klar mitzuteilen vermag, wird eine erfolgreiche Pferdeausbildung initiieren können. Dabei ist es insbesondere wichtig, die Antworten und Rückmeldungen des Pferdes nicht nur wahrzunehmen, sondern auch wertzuschätzen und in die eigenen Handlungen einfließen zu lassen. So kann Stress vermieden werden und das Pferd sich im Training wohlfühlen. Kommunikation ist keine Einbahnstraße, sondern lebt von dem ständigen ungestörten Informationsfluss zwischen den ungleichen Partner*innen. Ein gleichberechtigter Dialog bildet die Vertrauensbasis. Erst wenn das Pferd vertrauensvoll unsere Nähe sucht, sich anfassen lässt und mit uns zusammen Freude und Entspannung zeigt, ist die Grundlage für effektives Pferdetraining geschaffen.

Das Pferdeleben verstehen und bereichern

 

Ein erfülltes Pferdeleben sollte auch in menschlicher Obhut möglichst naturnah und pferdegerecht ausgestaltet werden. Nur ein gesundes, gut gehalten und ernährtes Pferd ist überhaupt in der Lage positiv zu lernen. Die Lebensbedingungen des Pferdes können auch über Ansprache, Abwechslung und geistige Förderung bereichert werden. Der*Die engagierte Pferdeliebhaber*in hat heute diverse Möglichkeiten sich umfangreich Fachwissen anzueignen, Konzepte der modernen Pferdehaltung zu verwirklichen und an seinen eigenen Fähigkeiten als verständige*r Partner*in für sein*ihr Pferd zu arbeiten.

(Fahre mit dem Finger über die Banner, um Details zu erfahren)

Die Motivation erkennen

Die Motivation ist die Währung in einem erfolgreichen Pferd-Mensch-Team. Nur wer weiß wie er sich selbst und sein Pferd motiviert kann so eine gewinnbringende Beziehung aufbauen. Pferde lieben eine entspannte Arbeitsatmosphäre, sie spielen gerne und orientieren sich an den authentischen Emotionen ihrer Menschen.

Über Körpersprache zum Dialog

Wer sich seiner eigenen Körpersprache und der des Pferdes bewusst ist, kann diese im gegenseitigen Dialog als Sprachmittel einsetzen. Dabei befinden wir uns mit unserer Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt und sind in der Lage, Ablenkungen von außen auszublenden.

Pausen machen

Pausen sind wichtige Phasen der Entspannung für Mensch und Tier. Ein Pferd lernt eine Lektion nur dann motiviert und nachhaltig, wenn es nicht durch zu häufige Wiederholungen überfordert wird. Es braucht zwischen den Arbeitseinheiten immer wieder Zeiten die Seele baumeln zu lassen. Während dieser kleinen Verschnaufpausen wird das Gelernte gefestigt und im Langzeitgedächtnis abgespeichert.

Unterschiedliche Lernfortschritte

Wie wir Menschen hat auch das Pferd wechselnde Tagesformen. Was an einem Tag leicht fällt kann an einem anderen Tag scheinbar grundlos Schwierigkeiten bereiten. Manchmal verharrt unser Pferd auf einem Lernplateau, in dieser Phase werden dann kaum Fortschritte beobachtet. Gerade nach solchen Phasen des vermeintlichen Stillstandes kommt es oft zu einem deutlichen Lernfortschritt. Deshalb bestimmt das Pferd das Lerntempo und wir Menschen begleiten es geduldig auf seinem Lernweg.

Zielverhalten in Zwischenschritte zerlegen

Wichtig ist es das Zielverhalten in möglichst viele kleinste Zwischenschritte zu gliedern, die einzeln erarbeitet werden. Dabei existiert das Endziel zunächst nur als Bild in unserem Kopf, die Teilschritte auf dem Weg dahin werden dem Pferd nacheinander nahegebracht, ohne es zu überfordern.

Zeit nehmen

Wir haben ein klares Trainingsziel und eine detaillierte innere Vorstellung von dem, was wir konkret tun möchten. Dies bedeutet dennoch nicht, dass wir das Ziel unbedingt innerhalb einer bestimmten Zeitspanne verwirklichen müssen, sondern der Weg zu diesem Endpunkt sollte für uns und unser Pferd eine sich selbst belohnende Aktivität darstellen.

Stimmungen erkennen

Wir vertrauen auf unsere angeborene Intuition und sind bemüht uns auf eine emotionale Verbindung zu unserem Pferd einzulassen, um minimale Stimmungsveränderungen wahrzunehmen und angemessen darauf zu reagieren. Auch unsere eigenen Stimmungsschwankungen können das Lerngeschehen beeinflussen und müssen berücksichtigt werden.

aus „Pferdsein reloaded“

Ganz viel Spaß euch allen, Marlitt

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Marlitt Wendt

 

 

Ich bin Verhaltensbiologin und eine Pionierin auf dem Gebiet des Trainings mit positiver Verstärkung für Pferde. Das was zunächst als private Leidenschaft begann, ist seit fast 20 Jahren meine Berufung. Ich habe meinen Traum verwirklicht und durfte mein Wissen und meine Erfahrung als Autorin in vielen Sachbüchern und Fachartikeln veröffentlichen und als Dozentin auf Seminaren im gesamten deutschsprachigen Raum in der Praxis umsetzen. RPlus ist nun die Quintessenz meiner bisherigen Arbeit. Mit RPlus als Idee, positive Verstärkung in ihrer Gesamtheit darzustellen und den Grundgedanken des Gebens wirklich zu leben, veröffentliche ich hier lerntheoretische Inspirationen, meine eigenen Ausbildungskonzepte und persönliche Einblicke in meine Pferdewelt.

Conny Ranz

 

 

Ich bin Pferdefotografin und Grenzgängerin. Mit meiner Kamera bewege ich mich zwischen den Welten. Zwischen Tier und Mensch, zwischen Traum und Realität. Pferde ihrer Natur entsprechend in ihrer ganzen Persönlichkeit zu zeigen, begeistert mich damals wie heute. Dazu bin ich unter anderem europaweit auf den Spuren der Wildpferde unterwegs. Diese Begegnungen erwecken stets den Mut zur Freiheit in mir. Mit meinen Bildern durfte ich bereits an einigen Buchprojekten namhafter Verlage sowie in diversen Pferdemagazinen mitwirken. Vor allem aber verleihe ich damit unserem gemeinsamen Herzensprojekt RPlus aus vollster Überzeugung Flügel.

AUTHOR: Marlitt Wendt