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RPlus | Hengstverhalten
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Der Ursprung von Levade und Kapriole

 

Viele der Verhaltensweisen, die wir heute in der Dressur, im Zirkus oder der Freiheitsdressur in ihrer antrainierten Form beobachten können, stammen eigentlich aus dem Imponiergehabe von Hengsten und damit aus dem Bereich des Sozialverhaltens. Sicher können diese Verhaltensweisen in der Natur auch von Stuten gezeigt werden, dies geschieht jedoch wesentlich seltener als bei Hengsten.

Zoom

Hengste unter sich

 

Heute möchten wir einmal eine typische Verhaltenssequenz in den Mittelpunkt rücken, wie sie beim ersten Aufeinandertreffen zweier Hengste auf der Sommeralm zu beobachten war. Und wie immer in der Kategorie Zoom müssen wir ganz genau hinzuschauen um die feinen Nuancen zu entdecken und interpretieren zu können. Sowohl das Große Ganze wahrzunehmen als auch in die Welt der kleinen Details einzutauchen ist hier der Schlüssel zum Verständnis dieser ritualisierten Verhaltenssequenz.

Exkurs – Neben der Spur

Verhaltens-Displays

 

Das Ausdrucksverhalten von Pferden wird in der Verhaltensforschung mit unterschiedlichen Methoden bestimmt und katalogisiert. Wir können dafür entweder einzelne Kommunikationselemente, also den ganz isolierten Ausdrucksgrad einzelner Körperteile wie Ohren, Nüstern oder Schweif registrieren und zuordnen. Oder man arbeitet mit sogenannten Displays, das sind komplexe „Bilder“ des sozialen Wesens des Pferdes. Hier werden die Verhaltensmuster in ihrer Gesamtheit betrachtet und je nach Fragestellung in Kombination mit Lautäußerungen wie Wiehern oder Brummeln als korrespondierende Ausdruckselemente berücksichtigt. Für bereits ethologisch definierte Verhaltens-Displays haben sich in der Fachliteratur Begriffe etabliert. Ein Beispiel wäre das „Drohschwingen“, welches eine charakteristische schnelle Hals-Kopfbewegung bezeichnet, die mit Drohmimik auf ein anderes Individuum hin gezeigt wird, ohne aber einen Bewegungsvektor der Beine auf sein Gegenüber zu umfassen.

Display # 1

Erste Annäherung oder Nasen-Körper Kontakt

 

Die beiden Shetty-Hengste nehmen hier einander gegenüberstehend Kontakt zueinander auf. Auffällig ist das unterschiedliche Verhalten der beiden. Während der helle Farbwechsler (englisch: roan) mit hoher Körperspannung starr auf allen vier Beinen steht, um an dem Rappen zu schnuppern, weicht der Rappe im Schritt nach links aus. Die Anspannung in dieser Situation kann man gut am Farbwechsler durch seinen hohen Muskeltonus, das Aufwölben des Halses (englisch: arched neck threat) und die vorhandlastige Position hin zum Gegenüber erkennen. Der Rappe dagegen bricht über die linke Schulter aus, hält aber über die Wendung des Kopfes dennoch Kontakt zum unbekannten Artgenossen.

Display # 2

Naso-nasal-Kontakt

 

Der sogenannte Naso-nasal-Kontakt (sniffing) ist das typische Begrüßungsritual unter Pferden. Er gehört zum im englischen Sprachgebrauch Posturing bezeichneten Imponiergehabe. Meist stehen die Pferde sich dabei frontal gegenüber und beschnuppern sich gegenseitig an den Nüstern. Hier bleibt der Rappe in seiner leicht abgewandten, fluchtbereiten Position.

Display # 3

Ansteigen (englischer Fachbegriff: rear)

 

Der aktivere Part in dieser auf die Begrüßung folgenden Momentaufnahme ist der Farbwechsler, der den Rappen direkt mit imponierend aufgewölbtem Kragen ansteigt. Geschickt wählt er dabei die Richtung zur Schulter des Rappens hin um diesen zu treiben. Der Rappe weicht der Attacke nach links-vorne aus, wie schon auf dem Bild zuvor zu vermuten war. In der Vergrößerung sieht man seine weit geöffnetes Nasenloch.

Display # 4

Hinterhandschlag (englisch: hindquarters kick)

 

Der Rappe weicht allerdings nicht vollständig aus, sondern hat aus dieser neuen Position die Möglichkeit zum typischen gezielten Hinterhandschlag auszuholen. Dieser ist hier eine reine Drohgeste und Abwehrschlag, da er neben sein Gegenüber in die Luft schlägt. Begleitet wird dieser Hinterhandschlag von einem weit geöffneten Maul und weiterhin maximal geweiteten und in ihrem Rand festen Nüstern. Der Farbwechsler weicht etwas zur Seite hin aus und beobachtet den Rappen mit gespitzten Ohren. Seine Nüstern bleiben oval, sie zeigen die weniger hohe Erregung in diesem Augenblick.

Display # 5

Hinterhandschlag die Zweite

 

Einige Momente später sehen wir den Farbwechsler mit seiner Antwort und einem weiteren Hinterhandschlag. Auch dieser geht in die Luft, ist also Teil eines reinen Kommentkampfes ohne Verletzungsabsicht. Seine weit vorgeschobene Oberlippe zeigt hier einen erhöhten Erregungslevel. Der Rappe wirft seinen Kopf ausweichend auf, auch er hat eine in dieser Situation vorgestülpte Oberlippe.

Display # 6

Die Kapriole (englisch: capriole)

 

Um seiner Machtdemonstration Nachdruck zu verleihen wiederholt der Farbwechsler den Hinterhandschlag nicht nur mit dem anderen Bein, sondern zeigt eine energiegeladene Kapriole, bei der sich auch die Vorderbeine in der Luft befinden. Auffällig sind hier die extrem verlängerte Oberlippe, die verdickten Lippen und die flach an den Schädel angelegten Ohren (ears laid back and pinned). Der Rappe weicht aus, indem er sich auf die Hinterhand setzt und den Kopf aufwirft.

Display # 7

Ein Schulhalt?

 

Einige Augenblicke später senkt der Farbwechsler maximal seine Kruppe und richtet sich im Brustkorb auf. Er holt so Schwung für eine erneute Kapriole. Der Rappe flüchtet nach vorne.

Display # 8

Letztes Ausschlagen

 

Ein letztes niedriges Ausschlagen des Farbwechslers beendet diese ritualisierte Auseinandersetzung der beiden Hengste. Der Rappe entfernt sich, der Farbwechsler bleibt am Orte des Geschehens und zeigt damit wie in der gesamten Sequenz sein dominantes Verhalten.

Schon ziemlich eindrücklich, was uns hier gezeigt wurde, oder? Marlitt

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AUTHOR: Marlitt Wendt