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RPlus | Anreiten im Sinne des Pferdes
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Verantwortungsbewusste Jungpferdeausbildung

 

Aus verhaltensbiologischer Sicht finden sich keine Argumente für einen dermaßen frühen Ausbildungsbeginn, wie er so oft praktiziert wird. Es gibt zwar in den frühen Lebensjahren eines Pferdes viele bedeutsame Zeitfenster für bestimmte Lernereignisse, jedoch stehen hier gerade soziobiologische Aspekte des Lernverhaltens im Vordergrund, wie etwa der soziale Austausch mit Artgenoss*innen und die prinzipielle Gewöhnung an den Menschen und die vielen ungewöhnlichen Anforderungen, welche die menschliche Obhut an das Pferd stellen.

Ausbildung unter Zeitdruck

 

Die traditionell doch sehr frühen Ausbildungserwartungen sind eben nicht entwicklungsphysiologisch begründet, sondern zumeist dem ökonomischen Optimierungsdruck der kommerziellen Akteur*innen geschuldet. Ich denke, dass es keinen pferdegerechten Weg gibt in derart jungem Alter Pferde angemessen auszubilden und öffentlich vorzustellen. Alles was unter Zeitdruck geschieht, geht letztlich zu Lasten der Persönlichkeitsentwicklung des Tieres. Frühes Anreiten bedeutet nicht nur eine hohe hohe körperliche Belastung, es führt ohne ausreichend Vorbereitungszeit auch zu viel Stress und Unbehagen beim Pferd und belastet so das Individuum schon sehr nachhaltig in dieser so wichtigen Phase seines Lebens.

Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hin zu schauen. Pippi Langstrumpf

Vertrauen zum Menschen fördern

 

Aus meiner Sicht ist es am allerwichtigsten, dass das Jungpferd ein grundsätzliches Vertrauen in den Menschen lernt und vor allem auch offen und neugierig auf neue Situationen, Gegenstände oder Aufgaben heranzutreten. Das funktioniert meiner Erfahrung nach am besten über die Mechanismen des Belohnungslernens und mit Hilfe der positiven Bestärkung.

Positive Lernatmosphäre schaffen

 

Vor dem Anreiten sollten Pferde für mich persönlich gelernt haben, in einer entspannten und gelassenen Lernatmosphäre die Zusammenarbeit mit dem Menschen als angenehm und selbstbelohnend zu empfinden. Dazu kann man sie spielerisch über Belohnungen und positives Feedback an immer neue Umgebungsreize, Situationen und Aufgabenstellungen gewöhnen. Auch Berührungen an unterschiedlichen Körperpartien, vor allem natürlich am Rücken und Bauch gehören zum behutsamen Kennenlernen dazu.

Erste Signale lernen

 

Erste Stimmsignale, wie ein Haltsignal oder ein Vorwärtssignal können ebenso vom Boden aus trainiert werden um darauf vom Sattel aus aufbauen zu können. Geht ein Pferd etwa auf ein Wort hin im Schritt los, so kann dieses Stimmsignal zunächst beim Anreiten genutzt werden, bevor es durch eine Schenkelhilfe ersetzt wird. Auch das Lenken kann auf diesem Wege bei der Bodenarbeit vorbereitet werden.

Kein*e Lastenträger*in

 

Pferde sind von ihrem evolutionären Erbe nicht dafür vorgesehen überhaupt in irgendeiner Weise geritten zu werden und ihr anatomischer Aufbau ist auch nicht für den Transport von Lasten vorgesehen, wie etwa beim Opossum welches seinen Nachwuchs lange Zeit auf dem Rücken mit sich trägt. Die menschliche Anforderungen an den*die „Lastenträger*in“ Pferd sind daher eine enorme Herausforderung, sowohl auf physiologischer wie auch auf psychischer Ebene. Leider wird durch das verfrühte Anreiten die körperliche Belastung des Pferdes schon häufig maßlos übertrieben, wobei der psychische Druck in der traditionellen Ausbildungspraxis noch nicht einmal als möglicher Stressor für das jeweilige Pferd Beachtung findet.

Lernpausen beugen Stress vor

 

Lernpausen sind ein wichtiger Bestandteil innerhalb einer pferdegerechten Ausbildungsphilosophie, das gilt sowohl für die vielen kleinen Unterbrechungen im Bereich der Trainingssession wie auch langfristig gesehen wenn bestimmte Übungen auch über einen sehr langen Zeitraum nicht wieder aktiv in unsere Lernhistorie eintreten. Lerninhalte welche das Pferd mit angenehmen Assoziationen wie positiver Lernumgebung und einer belohnungsbasierten Erfolgskontrolle verknüpfen werden sehr nachhaltig in ihrem Gedächtnis abgespeichert, während Lernerfahrungen mit einer negativen Konnotation über die Zeit schnell wieder verblassen.

Versteht unser Pferd wirklich, was wir von ihm wollen?

 

Es ist wie bei uns Menschen, wir erinnern uns noch nach Jahrzehnten an die schönsten Tage einer Reise, derweil die Anzahl der Regentage immer weiter aus unseren Erinnerungen gespült werden. Pferde lernen wie alle höheren Säugetiere am effektivsten, wenn ihre Handlungen durch ein positives Feedback begleitet werden. Es sollte immer unser Anspruch sein unsere Ausbildungsziele für das Pferd verständlich zu formulieren und das Verständnis des Tieres als vornehmliches Lernziel anzustreben. Erst wenn das Pferd in der Lage ist die Anforderungen des Trainings zu verstehen können wir überhaupt von einer erfolgreichen Zusammenarbeit sprechen.

Zu Gast in der Welt der Pferde

 

Wir Menschen müssen uns dieses Vertrauen erst hart erarbeiten, denn augenscheinlich ist der Mensch kein natürliches Mitglied der Pferdegemeinschaft und wir besitzen keine Qualitäten welche uns als Vorbild, Führungspersönlichkeit oder Kommunikationspartner*in auszeichnen. Wir können aber eine vertrauensvolle Beziehung zu unserem Pferd erreichen, indem wir vorhersehbare Reaktionsmuster ausführen und dabei immer als ein positiver Umweltfaktor wahrgenommen werden. Wir sollten eben nicht den Fehler begehen als ein Herdenmitglied angesehen werden zu wollen, sondern der Tatsache ins Auge sehen, dass wir lediglich eine kleine Facette im alltäglichen Leben der Pferde darstellen und wir lediglich darauf Einfluss nehmen können ob uns die Tiere als angenehmen oder eben als störenden Faktor in ihrer Erlebniswelt wahrnehmen mögen.

Balance ist wichtig

 

Die richtige Balance von Routine und Abwechslung ist der Schlüssel zu einer pferdegerechten Ausbildung. Um die doch individuell sehr unterschiedlich ausgeprägten Bedürfnisse und Charakterdispositionen seines Pferdes auch genau identifizieren zu können ist es unumgänglich sich sehr detailliert mit allen körpersprachlichen Merkmalen der Kommunikation der Pferde auseinander zu setzen. Die Ausbildung eines Jungpferdes durch Lai*innen sollte stets durch eine*n erfahrene*n Partner*in begleitet werden. Zudem sollte man sich dabei über den Weg der Ausbildung genau bewusst sein, da es gerade in der traditionellen druckbasierten Ausbildungspraxis viele hilfreiche „Expert*innen“ gibt, die das junge Pferd über Strafen und psychischen Druck zu formen versuchen.

Moderne Ausbildungsmethoden

 

Die modernen Ausbildungsmethoden verfolgen dagegen einen ganz anderen Ansatz und basieren auf dem Konzept des Dialogs und dem Verständnis für die kognitiven Möglichkeiten und natürlichen Bedürfnisse der Pferde. Hier steht das Lernen in einer angstfreien Atmosphäre und mit Hilfe vieler kleiner Erfolgserlebnisse im Vordergrund, welche dem Pferd die Lernziele durch ein pferdegerechtes positives Feedback vermitteln.

Mit dem Herzen dabei sein

 

Wir lernen jeden Tag mehr über die kognitiven Fähigkeiten unserer tierischen Mitgeschöpfe und werden uns immer mehr bewusst dass ihre Leidensfähigkeit sich von unserer nicht unterscheidet. Es ist daher äußerst verstörend wie heutzutage immer noch auf öffentlichen Veranstaltungen diese armen Kreaturen misshandelt und ihrer Würde beraubt werden. Es bedarf hier kein Spezialwissen auf dem Felde der Ethologie um das Leid der Tiere zu erkennen, denn schon der gesunde Menschenverstand sollte uns doch aufzeigen, dass niemand der auch nur ein Quäntchen Empathie besitzt seinen Hund peitschen oder sein Kind in eine dunkle Box einschließen und von jeglichen sozialen Kontakten isolieren würde. Unsere Pferde verdienen es nicht nur als Nutz- und Sportgerät behandelt zu werden, sondern als fühlende Wesen für deren Glück und Wohlbefinden wir die Verantwortung tragen.

aus „Pferdsein reloaded“

Von ganzem Herzen euch das Allerbeste, Marlitt

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Marlitt Wendt

 

 

Ich bin Verhaltensbiologin und eine Pionierin auf dem Gebiet des Trainings mit positiver Verstärkung für Pferde. Das was zunächst als private Leidenschaft begann, ist seit fast 20 Jahren meine Berufung. Ich habe meinen Traum verwirklicht und durfte mein Wissen und meine Erfahrung als Autorin in vielen Sachbüchern und Fachartikeln veröffentlichen und als Dozentin auf Seminaren im gesamten deutschsprachigen Raum in der Praxis umsetzen. RPlus ist nun die Quintessenz meiner bisherigen Arbeit. Mit RPlus als Idee, positive Verstärkung in ihrer Gesamtheit darzustellen und den Grundgedanken des Gebens wirklich zu leben, veröffentliche ich hier lerntheoretische Inspirationen, meine eigenen Ausbildungskonzepte und persönliche Einblicke in meine Pferdewelt.

Conny Ranz

 

 

Ich bin Pferdefotografin und Grenzgängerin. Mit meiner Kamera bewege ich mich zwischen den Welten. Zwischen Tier und Mensch, zwischen Traum und Realität. Pferde ihrer Natur entsprechend in ihrer ganzen Persönlichkeit zu zeigen, begeistert mich damals wie heute. Dazu bin ich unter anderem europaweit auf den Spuren der Wildpferde unterwegs. Diese Begegnungen erwecken stets den Mut zur Freiheit in mir. Mit meinen Bildern durfte ich bereits an einigen Buchprojekten namhafter Verlage sowie in diversen Pferdemagazinen mitwirken. Vor allem aber verleihe ich damit unserem gemeinsamen Herzensprojekt RPlus aus vollster Überzeugung Flügel.

AUTHOR: Marlitt Wendt