Das Gähnen beim Pferd und seine Bedeutungen

Die Ursachen für vermehrtes Gähnen können neben den gesundheitlichen Ursachen sehr vielfältig sein. Neben dem Gähnen aus Müdigkeit oder Langeweile kann es sich um Gähnen als Stress-Symptom, als Übersprungshandlung oder als Calming Signal handeln. Beispielsweise können viele der genannten Situationen stressbehaftet sein, auch wenn der Reiter dies nicht unbedingt so empfindet. Sollte ein Pferd sehr häufig in immer den selben Situationen gähnen, so kann es ratsam sein, gemeinsam mit einem Verhaltensexperten nach der Ursache zu forschen. Z.T. können schon vermeintliche Kleinigkeiten, wie etwa eine Überforderung beim Reiten Ursache sein. Das Gähnen wird dann zu einem Ventil, um den Stress abzubauen. Kurzfristiger Stress wird vom Pferd in der Regel gut kompensiert. Gefährlicher ist da der langanhaltende, wiederkehrende Stress, der Pferde im schlimmsten Falle krank macht. Um dies zu vermeiden, sollte immer auf Stress-Merkmale und so auch auf das vermehrte Gähnen geachtet werden.

Introvertierter Stresstyp

Besonders auffällig ist das Gähnen bei introvertierten Stresstypen. Diese Pferde reagieren auf Stress nicht mit Herumtänzeln und nach außen sichtbarer Aufregung, sie werden im Gegenteil unter Stress immer passiver und wirken in sich gekehrt. Ihr Stress ist nach außen nicht so deutlich sichtbar, das innere Leid dieser Tiere ist jedoch natürlich genauso hoch. Auffällig bei diesem Stresstyp ist neben dem Gähnen auch das Abstellen des Hinterbeines, als wollte das Pferd ruhen. In diesem Falle haben diese Anzeichen jedoch nichts mit Müdigkeit oder Langeweile zu tun, sondern sind schlichtweg Stresszeichen. Häufig sind solche Verhaltensweise neben den oben genannten Beispielen auch beim Longieren, der Bodenarbeit oder beim Gelassenheitstraining zu sehen. Der entstehende Stress ist bei vielen Trainingsmethoden sehr viel höher, als man annehmen würde. Sieht man Gähnen als Stresszeichen bei seinem Pferd sollten der Druck reduziert werden und die Anforderungen herabgesetzt, um wieder in einen entspannten Zustand zu gelangen.

Chronischer Stress und seine Folgen

Neben dem Hinweis auf Magengeschwüre und Koliken kommen sämtliche mögliche Folgeerkrankungen von chronischem Stress in Frage wie etwa Stoffwechselprobleme oder Hautkrankheiten, aber auch Zahnprobleme und Schmerzen jeder Art als Ursache für häufiges Gähnen in Frage. Gerade auch Kopf- und Ohrenschmerzen sind beim Pferd wenig untersucht. Das Gähnen bewirkt ja einen Druckausgleich zwischen Mittelohr und Umgebung durch die Eustachische Röhre und erleichtert das Schmerzempfinden kurzfristig.

Gähnen als Calming Signal

In der Herde wird natürlich auch in Stress-Situationen gelegentlich das Gähnen als Übersprungshandlung gezeigt, oder als Calming Signal eingesetzt. Diese Beschwichtigungsignale dienen zum einen der eigenen Beruhigung, aber auch der Deeskalation von drohenden Konflikten. Es handelt sich beim Gähnen also um ein doppelt belegtes Signal, dass sowohl Langeweile, Müdigkeit ausdrücken kann, aber eben auch situationsabhängig unterschiedliche Konsequenzen auslösen kann. Die Interpretation muss immer im Gesamtkontext der Pferdebegegnung und der Situation gefunden werden

Ganz schön vielseitig dieses Gähnen, LG, Marlitt

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Marlitt Wendt

Ich bin Verhaltensbiologin und eine Pionierin auf dem Gebiet des Trainings mit positiver Verstärkung für Pferde. Das was zunächst als private Leidenschaft begann, ist seit fast 20 Jahren meine Berufung. Ich habe meinen Traum verwirklicht und durfte mein Wissen und meine Erfahrung als Autorin in vielen Sachbüchern und Fachartikeln veröffentlichen und als Dozentin auf Seminaren im gesamten deutschsprachigen Raum in der Praxis umsetzen. RPlus ist nun die Quintessenz meiner bisherigen Arbeit. Mit RPlus als Idee, positive Verstärkung in ihrer Gesamtheit darzustellen und den Grundgedanken des Gebens wirklich zu leben, veröffentliche ich hier lerntheoretische Inspirationen, meine eigenen Ausbildungskonzepte und persönliche Einblicke in meine Pferdewelt.