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RPlus | Das Interview mit Conny und Marlitt
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Reiten – reine Gefühlssache?

Hier durfte ich in einem kleinen Interview für das Mitgliedermagazin der Tierschutzorganisation Provieh e.V. meine Motivation etwas näher erklären, warum es mir so wichtig war das Buch „ Was fühlt das Reitpferd?“ zu schreiben.

Provieh e.V.

Und wie bist du eigentlich auf das Buchthema gekommen?

Marlitt

Das Thema Mimik und Ausdrucksverhalten begleitet mich als Verhaltensbiologin schon seit vielen Jahren. Pferde haben ein so differenziertes und reiches Ausdrucksverhalten, dass es faszinierend ist die Details ihrer Sprache kennenzulernen. Gerade die Themen Stress, Schmerzen oder Angst zu erkennen kommen jedoch bei den allermeisten Reiter*innen viel zu kurz. So sieht man landauf, landab erschreckend viele Pferde, die sich eben nicht mit ihrem*ihrer Reiter*in wohlfühlen, sondern buchstäblich krank geritten werden. Auch in der Ausbildung der Reitlehrer*innen und Trainer*innen, der Tierärzt*innen und Hufschmied*innen und anderer Expert*innen im Pferdebereich kommt das ganze Thema Pferdekommunikation viel zu kurz. Wer nur wenige Details zum Ausdruck des Pferdes kennt, der wird nicht in der Lage sein zu erkennen, wann es einem Pferd wirklich gut geht und wann eben nicht. Daraus ist die Idee für das Buch entstanden. Einen Leitfaden für alle interessierten Pferdeliebhaber*innen, für Reiter*innen und Profis in diesem Segment zu schaffen, um den Blick zu schulen für die oft übersehenen Details der Pferdesprache.

Provieh e.V.

Wollen Pferde eigentlich geritten werden?

Marlitt

Ich persönlich glaube, dass es immer ganz genau darauf ankommt wie ein Pferd das Geritten werden empfindet. Mit vielen Belohnungen, behutsam, Schritt für Schritt herangeführt, kann ein Pferd alles was mit dem Reiten zu tun hat als etwas Alltägliches kennenlernen und als Bereicherung seines Tagesablaufes empfinden. In unserer heutigen technisierten Welt ist das Geritten werden oft die einzige Möglichkeit für ein Pferd auf Ausritten etwas von seiner Umwelt zu sehen und in höherem Tempo seinen eigenen Körper zu spüren. Aber natürlich gibt es genügend Gegenbeispiele, Pferde die aufgrund ihres Körperbaus oder ihrer Psyche von vornherein nicht zum Reiten geeignet sind oder aber vom Menschen für den sportlichen Ehrgeiz missbraucht worden sind. Auch unsere Pferde können Reiten als ihr eigenes Hobby ansehen und Spaß daran haben – die Freude daran ist ihnen dann buchstäblich ins Gesicht geschrieben.

Provieh e.V.

Wie kommunizieren Pferde mit ihren Reiter*innen?

Marlitt

Pferde kommunizieren mit ihrem gesamten Körper, mit ihrer Mimik, ihren Bewegungen und ihrer Körperhaltung. Typische Botschaften, die unter Reiter*innen viel zu oft übersehen werden ist „mir tut etwas weh“. Pferde winseln nicht wenn sie Schmerzen haben wie ein Hund, sie äußern ihr Unbehagen stumm mit geweiteten Nüstern und gepresster Atmung, mit Sorgenfalten über den Augen oder angespannter Kaumuskulatur. Diese Botschaft wird allerdings oft einfach übersehen und das Pferd als „faul“ oder „bockig“ dargestellt. Ein weiteres eng damit verknüpftes Problemfeld ist das Thema Stress. Pferde sind häufig gestresst von ihrem Lebensumfeld, der ihnen zuteilwerdenden Behandlung und natürlich auch von dem ausgeführten Reitstil. Stress auch bei uns selbst zu bemerken, dass ist eine große Herausforderung für jede*n der mit Pferden zu tun hat. Weiterhin haben Pferde natürlich feinste Antennen für Stimmungen und verborgene Gefühlsregungen. Ich glaube eine der wichtigsten Botschaften der Pferde an sich liegt darin, wie sie eigentlich auf uns reagieren und stets versuchen mit uns zu kommunizieren. Wer sich hier sensibel hinterfragt, der wird seinen eigenen Lebensthemen auf die Spur kommen und eventuell mehr Glück und Zufriedenheit zusammen mit seinem Pferd erleben können.

Provieh e.V.

Achten Reiter*innen im Allgemeinen zu wenig auf die Körpersprache und Mimik der Pferde?

Marlitt

Viele Reiter*innen achten so gut wie gar nicht auf die Körpersprache und Mimik der Pferde, so jedenfalls meine persönliche Erfahrung. Zum einen, weil ihnen die Vorbilder fehlen wie es anders aussehen könnte und zum anderen, weil wie erwähnt das Fachwissen über die Merkmale der Körpersprache fehlen. Dazu kommt die reiterliche Tradition: Das Pferd wird immer noch oft als ein reines Nutztier angesehen, welches für uns Menschen lediglich die Rolle eines*einer anspruchsvollen Lastenträger*in erfüllen soll. So existiert es daher auch in den allermeisten Veröffentlichungen meist nur in seiner Funktion als Reittier. Der Ehrgeiz der Menschen und die sportlichen Erfolge führen leider oft zusätzlich dazu, dass die Empathie des Menschen komplett ausgeschaltet wird. Daher denke ich, dass die Pferdeszene ein grundsätzliches Umdenken braucht. Neue Perspektiven für mehr Verständnis für die Empfindsamkeit dieser wunderbaren Geschöpfe.

Provieh e.V.

Wie empfinden Pferde die Reiter*innenhilfen?

Marlitt

Traditionell wurden und werden die Reiter*innenhilfen über Strafen und negative Verstärkung erarbeitet. Pferde werden leider immer noch überwiegend so trainiert, dass sie auf ein Kommando reagieren sollen, weil sie ständig befürchten müssen, dass sich sonst der Druck steigert, wenn sie nicht augenblicklich reagieren. Zu diesem Zweck wurden in der Geschichte des Reitens diverse Hilfsmittel wie etwa Sporen oder die Gerte erfunden. So trainierte Pferde empfinden die Reiter*innenhilfen nicht als etwas Positives. Heute ist das Wissen um die Ausbildung von Tieren jedoch viel weiter und wir sollten uns nicht mehr an den veralteten Methoden orientieren, die zwar aus einem gewissen Erfahrungswert entstanden sind, aber keine verhaltensbiologische Rechtfertigung besitzen. Es liegt nun in unserer Hand wie wir uns für das Pferd entscheiden, ob wir primär mit Druck und Strafe arbeiten wollen oder ob wir mit ihm lieber über Belohnungen und positives Feedback kommunizieren möchten. Bei der Methode der positiven Verstärkung lernt das Pferd kleinschrittig, angemessen an seinen kognitiven Möglichkeiten Lerninhalte zu verstehen. So werden etwa reiterliche Hilfen als angenehme Gelegenheiten erlebt sich seine Belohnung selbst zu erarbeiten.

Provieh e.V.

Was wünscht du dir von Reiter*innen und Ausbilder*innen?

Marlitt

Der erste Punkt den ich mir wünschen würde ist die professionelle Fortbildung im Bereich des Pferdeverhaltens und ihrer kognitiven Möglichkeiten. Es existiert heute eine Vielzahl wunderbarer Publikationen zu unterschiedlichen Themen der Verhaltensforschung, die in Reiter*innenkreisen nahezu unbekannt sind. Dieses Defizit aufzuarbeiten wäre ein großer Wunsch meinerseits und ist gleichzeitig meine Motivation dieses Wissen noch weiter zu verbreiten. Erst wenn man sich bewusst ist, welche mentale aber auch emotionale Tiefe diese Tiere besitzen kann man nicht umhin sie als ebenbürtige Persönlichkeiten wahrzunehmen. Einen zweiten Wunsch kann jeder eigentlich ganz einfach umsetzen: Sein Herz zu öffnen und das eigene Handeln zu hinterfragen. Würde ich mich selbst wohlfühlen, wenn ich in der Rolle meines Pferdes wäre? Könnte ich mir hypothetisch den Lebenstraum meines Pferdes vorstellen und wie weit entfernt ist sein Alltag davon? Kann ich persönlich etwas tun um das Leben meines Pferdes weiter zu verbessern? Ich denke schon, dass meine gehegten Hoffnungen umsetzbar sind, ich sehe jedenfalls, wie viel sich in den letzten 20 Jahren auch zum Besseren gewendet hat. Vielleicht nicht im Spitzensport, in der Freizeitszene aber auf jeden Fall und hier sollten wir unsere Vorbildfunktion für den gesamten Reitsport weiter wahrnehmen.

Liebe Grüße, Marlitt

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Marlitt Wendt

 

Ich bin Verhaltensbiologin und eine Pionierin auf dem Gebiet des Trainings mit positiver Verstärkung für Pferde. Das was zunächst als private Leidenschaft begann, ist seit fast 20 Jahren meine Berufung. Ich habe meinen Traum verwirklicht und durfte mein Wissen und meine Erfahrung als Autorin in vielen Sachbüchern und Fachartikeln veröffentlichen und als Dozentin auf Seminaren im gesamten deutschsprachigen Raum in der Praxis umsetzen. RPlus ist nun die Quintessenz meiner bisherigen Arbeit. Mit RPlus als Idee, positive Verstärkung in ihrer Gesamtheit darzustellen und den Grundgedanken des Gebens wirklich zu leben, veröffentliche ich hier lerntheoretische Inspirationen, meine eigenen Ausbildungskonzepte und persönliche Einblicke in meine Pferdewelt.

Conny Ranz

 

Ich bin Pferdefotografin und Grenzgängerin. Mit meiner Kamera bewege ich mich zwischen den Welten. Zwischen Tier und Mensch, zwischen Traum und Realität. Pferde ihrer Natur entsprechend in ihrer ganzen Persönlichkeit zu zeigen, begeistert mich damals wie heute. Dazu bin ich unter anderem europaweit auf den Spuren der Wildpferde unterwegs. Diese Begegnungen erwecken stets den Mut zur Freiheit in mir. Mit meinen Bildern durfte ich bereits an einigen Buchprojekten namhafter Verlage sowie in diversen Pferdemagazinen mitwirken. Vor allem aber verleihe ich damit unserem gemeinsamen Herzensprojekt RPlus aus vollster Überzeugung Flügel.

AUTHOR: Marlitt Wendt