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RPlus | Quellen der Motivation
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Ein Gedankenmodell zur Zügelführung

 

Eines der grundlegenden Werkzeuge meiner Reitpferdeausbildung ist die Idee des Zügeltargets. Das von mir entwickelte Vorstellungsbild von einem unsichtbaren Target, welches die ideale Zügelführung symbolisiert, an die sich Pferd und Reiter orientieren, hilft mir und meinen Reitschüler*innen dabei klassische Grundsätze der Dressur mit den Vorteilen der positiven Verstärkung zu verknüpfen. Einen Überblick zu den Grundlagen des Zügeltargets und seiner Entstehungsgeschichte findest du hier.

Das Zügeltarget nach Marlitt Wendt

geht in die nächste Runde.

Reiten mit RPlus?

Das geht.

An den Zügel herantreten

 

Ganz Allgemein gesprochen geht es beim Konzept des Zügeltargets darum ein Gefühl für den aktiven Spannungsbogen des Pferderückens zu entwickeln, also zu erfassen, wann ein Pferd reiterlich gesprochen „an den Zügel herantritt“ und den Rücken aufwölbt, wann es wirklich am Zügel geht oder in eine reelle Dehnungshaltung entlassen werden kann. Vereinfacht gesagt wird bei der Arbeit mit dem Zügeltarget, das Pferd an eine dynamische Anlehnung geclickt, indem wir in unterschiedlichen Zügellängen und mit unterschiedlicher Kopfposition und Rahmenerweiterung arbeiten. Um die Arbeit mit dem gedachten Zügeltarget etwas näher zu erläutern, habe ich in diesem Artikel als weiteres Beispielpferd Friesenwallach Nelson herausgesucht, welches sich zum Zeitpunkt des Fotoshootings öfter hinter dem Zügel versteckt hat, sich eingerollt hat und nicht aktiv an den Zügel herangetreten ist.

Mit Gebiss oder gebisslos reiten???

 

Kommt es beim Modell des Zügeltargets darauf an, welche Art von Zäumung man benutzt? Bei der Wahl der Ausrüstung kommt es so sehr darauf an welches Ziel man verfolgt, daher entscheide ich individuell je nach Pferd und Ausbildungsziel. Aus meiner Sicht ist es bei jedem Hilfsmittel erforderlich, die Annahme zunächst positiv zu belegen. Egal ob man nun ein Sidepull, eine Trense oder whatever benutzt. Das ist für mich sozusagen die Voraussetzung um überhaupt mit der Arbeit mit der Vorstellung des Zügeltargets beginnen zu können. Ich persönlich reite sowohl gebisslos als auch wie hier mit Nelson mit Gebiss, da ich versuche – soweit es meine bescheidenen Reitkünste denn zulassen – den Zügel weder als Bremse noch als Lenkung einzusetzen. Sondern möglichst hauptsächlich dafür, wofür er in der klassischen Reitweise aus meiner Sicht primär gedacht war: Um zu spüren, wann der Spannungsbogen der Bewegungen des Pferdes geschlossen ist. Vereinfacht gesagt um zu spüren, wann die Energiewelle, die durch die Muskelbewegung von den Beinen über den Rücken des Pferdes nach vorne läuft am Kopf ankommt und welche Art von Nickbewegung sie verursacht.

Die Energiewelle erfühlen

 

Jedes Pferd zeigt je nach Gangart, Tempo, Exterieur usw. einen unterschiedlichen tiefsten Punkt der Nickbewegung des Kopfes. Diesen Punkt zu fühlen, das ist das Geheimnis des Zügeltargets. Es geht darum, die Welle wirklich zu fühlen, um sie dann gewissermaßen lenken zu können, eine Rahmenerweiterung zuzulassen oder das Pferd vermehrt zu versammeln.

Die Zunge als Barometer

 

Da die Zunge des Pferdes sehr beweglich und mit vielen Muskeln bestückt ist, ist die Welle hier über den Zügel besonders intensiv zu spüren. Daher ist man aus meiner Empfindung heraus bei Zäumungsarten, die auf den Nasenrücken wirken oft zu früh im Kontakt und hat es damit wesentlich schwerer den richtigen Punkt zu treffen um den eigenen Sitz daran anzupassen oder aber die richtige Sekunde zu treffen um zu clicken. Gerade auch weil der Nasenrücken unbeweglich ist und damit nur die „große“ Welle überträgt und nicht die kleinen Vibrationen. Die muss man dann im Hintern spüren. Es ist natürlich möglich ohne Gebiss fantastisch zu reiten, es erfordert nochmal mehr Konzentration.

Status quo

Die Ausgangssituation bei Friese Nelson

 

Nelson neigte zum Zeitpunkt des Fotoshootings unter seinem damaligen Herzensmenschen dazu sich hinter dem Zügel zu verkriechen. Wir sehen auf den Bildern in allen Gangarten ein eingerolltes Pferd, das Genick des Pferdes ist nicht der höchste Punkt, sondern der Knick im Hals verläuft an einer falschen Stelle in etwa hinter dem dritten Halswirbel. Der Reiterin gelingt es nicht ihr Pferd über den Sitz zum Aufwölben des Rückens zu bewegen, die Hinterhand schiebt nach hinten raus und die Zügelführung wirkt zu fest und unpräzise. Es fällt ihr schwer die mächtigen Bewegungen des Wallachs zu sitzen.

Reiterinnenwechsel zur Verdeutlichung des Zügeltargets

 

Um für beide Seiten das Prinzip des gedachten Zügeltargets zu verdeutlichen haben wir die Reiterin ausgetauscht. Ich bin zu diesem Zeitpunkt jahrelang nicht auf Nelson geritten und wollte für das Fotoshooting kurz einen Weg aufzeigen, wie man das Thema Verkriechen hinter dem Zügel angehen kann. Schritt eins war dabei das Erfühlen des Problems. Man sieht auch bei mir, dass Nelson sich direkt hinter dem Zügel verkriecht und in sein Verhaltensmuster verfällt. Eine Passtendenz, also ein nicht taktreiner Schritt lässt vermuten, dass er nicht locker über den Rücken schwingt. So komme ich zur Voraussetzung des Zügeltargets:

Das Zügeltarget nach Marlitt Wendt

Das freie Schreiten am hingegebenen Zügel

 

Um dieses Schreiten zu festigen, clicke und belohne ich in dieser Phase für eine lockere Schrittbewegung. Ich versuche das Gleiten des Schritts durch meinen Körper durchzulassen und clicke und belohne ein Strecken in die Dehnungshaltung nach Vorwärts-Abwärts.

Fahre mit dem Finger oder der Maus über alle Bilder und entdecke mehr!

Im Schritt die Zügel aufnehmen

 

Der Schritt ist die störungsanfälligste Gangart und daher am schwierigsten wirklich korrekt am Zügel zu reiten. Ich nehme bei diesem kurzen Ritt abwechselnd die Zügel auf und entlasse Nelson wieder in die Dehnung und begleite jede denkbare Zügelposition und das Herandehnen an die Hand mit Click und Belohnung. Er soll in diesem Stadium erfahren, dass er den Takt trotz sich verändernder Zügellänge beibehalten kann. Als ich merke, dass die abgebildete Haltung das bestmögliche Ergebnis für den Moment ist, wechsle ich in den Trab.

Freie Trabbewegung

 

Oft versuchen Reiter*innen viel zu früh eine nach außen hin scheinbar gute Kopfhaltung zu erzeugen. Da wird der Zügel direkt aufgenommen, das Pferd wölbt irgendwie den Hals und je nach Typ und Bewegungsmuster zeigen sich deutlich die reiterlichen Fehler. Lässt man den Zügel lang, so wird das Pferd zunächst lernen sich frei zu bewegen und bekommt überhaupt die Chance sein eigenes Gleichgewicht mit Reiter*in ohne störenden Zügel zu finden. Nelson sucht sein Gleichgewicht also friesentypisch mit erhobenem Kopf. Auch in dieser Phase lobe ich ihn für seine fleißigen Bewegungen und vor allem immer dann, wenn er den Unterhals locker lässt und beginnt sich etwas zu tragen. Erst dann denke ich überhaupt daran den Zügel aufzunehmen und mir das Zügeltarget vorzustellen.

Entlassen in die Dehnung

 

Ich ermögliche also mit der Vorstellung des Zügeltargets und meiner Sitzposition auch mit durchhängendem Zügel die Dehnungsbereitsschaft des Pferdes. Nelson beginnt sich im Trab selbst zu tragen, er wölbt den Rücken auf, der obere Bereich des Halses ist aktiv, das Genick ist geöffnet, die Nase vor der Senkrechten. Das ist ein wichtiger Zwischenschritt, der bei der Zügeltarget-Übung immer wiederholt wird. Das Pferd lernt ein dynamisches Gleichgewicht zu finden und dem sich verändernden Sitz des*der Reiter*in zu folgen.

Erste Anlehnung

 

Aus dem Finden des Gleichgewichts heraus ohne Zügelanlehnung beginne ich nun auch das Herantreten an den Zügel aktiv über den Sitz einzuleiten und das Pferd immer dann zu clicken und zu belohnen, wenn es sich in der bestmöglichen Phase befindet – relativ gesehen zum Sitz und zur Bewegungsdynamik. Auf dem Foto sieht man einen solchen Moment der beginnenden Anlehung. Nelson akzeptiert den tatsächlichen angenommenen Zügel ebenso wie das gedachte Zügeltarget. Er arbeitet ruhig weiter mit aufgewölbtem Rücken, lockeren Bewegungen und verkriecht sich nicht hinter dem Zügel.

Mit Fingerspitzengefühl in die Remontenhaltung

 

Seit dem ersten Aufsteigen sind nur etwa 15 Minuten vergangen. Langsam erreite ich mir mit Nelson eine klassische Remontenhaltung. Viel zu oft wird dieser so wichtige Zwischenschritt komplett vergessen. Gerade beim Friesen, der vom Gebäude her oft dazu neigt nicht ins Tragen zu kommen, sondern mehr schiebt, wird ohne diesen Zwischenschritt Schwierigkeiten haben in eine korrekte Anlehnung zu kommen.

Sanfte Anlehnung

 

Echte Anlehung entsteht nicht durch ein Herunterriegeln des Kopfes. Sie entsteht vom Pferd, wenn es ins Gleichgewicht geritten wird. Wir sehen nun bei Nelson auch, dass der Trab taktklar ist, der Rücken aufgewölbt bleibt, auch wenn ich ihn hier in eine maximale Anlehnung für den Moment begleite. Für diese eine Einheit reicht mir dieses Ergebnis, daher wechseln wir in den Galopp.

Zügel weg!

 

Gerade bei der Arbeit mit dem gedachten Zügeltarget geht es darum, dass das Pferd Vertrauen in die Zügelhilfen bekommt. Daher gilt, gerade wenn man das Pferd so wie ich in dieser Session nicht so gut kennt: Zügel durchhängen lassen beim Angaloppieren, damit das Pferd sich selbst tragen kann und merkt, dass es keinen unangenehmen Zug am Zügel gibt. Diese Phase nutze ich für das Kennenlernen des individuellen Bewegungsablaufs im Galopp.

Behutsam Kontakt herstellen

 

Erst dann stelle ich im Galopp vorsichtig den Kontakt zum Pferdemaul her und versuche den aktiven Spannungsbogen zu begleiten. Wir sehen auf dem Foto, dass Nelson auch im Galopp nun an den Zügel herantritt, er schwingt im Rücken und findet selbstständig die Anlehnung. Solche besonders guten Momente fördere ich in diesem Stadium ebenfalls mit Click und Belohnung.

Bergauftendenz entwickeln

 

Schon nach einigen Runden gelingt es mir Nelson im Galopp in guter Anlehnung mit deutlich gesprungenem Galopp zu reiten. Er schwingt im Rücken, beginnt sich auf die Hinterhand zu setzen und ist leicht an den Zügel gestellt. Mehr ist vermutlich in einer einzigen Session nicht zu erreichen. Ich freue mich sehr, dass die Vorstellung des Zügeltargets ein wichtiger Bestandteil meiner Pferdeausbildung sein kann. Das innere Bild hilft dabei den Spannungsbogen des Pferdes zu erfühlen und seine natürlichen Bewegungen zu fördern und nicht zu behindern.

Stichwort „Aktiver Spannungsbogen“

 

Verkürzt gesagt kann man sich dabei auch vorstellen, dass es Muskelketten im Pferdekörper gibt, die „hintereinandergeschaltet“ sind, bzw. im Verbund reagieren. So spürt man die Nickbewegung des Kopfes primär durch die Übertragung der Muskulatur der Oberlinie, während man über das Zungenbein, den Unterkiefer und die Zunge selbst zum einen das Kauen spürt und zum anderen die Vibrationen der unteren Muskelkette über Bauch, Brust und Hals. Nur beide Informationen gemeinsam ergeben ein vollständiges Gefühls-Bild davon, wann das Pferd in die Nähe seiner Balance kommt. Und dieses Spiel mit der Balance entdecken wir mit dem Zügeltarget. Die eigene Bewegung richtet sich sehr stark danach wie gut ich in der Lage bin die Bewegungen des Pferdes durchzulassen. Blockiert man nun die Bewegung zu früh, wird man selbst zum größten Negativverstärker überhaupt, weil man permanent gegen die Bewegung sitzt. Das Zügeltarget hilft dabei eine Rückmeldung über die Haltung des Pferdes und den eigenen Sitz zu erhalten.

Viel Spaß mit dem Zügeltarget, Marlitt

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Marlitt Wendt

 

Ich bin Verhaltensbiologin und eine Pionierin auf dem Gebiet des Trainings mit positiver Verstärkung für Pferde. Das was zunächst als private Leidenschaft begann, ist seit fast 20 Jahren meine Berufung. Ich habe meinen Traum verwirklicht und durfte mein Wissen und meine Erfahrung als Autorin in vielen Sachbüchern und Fachartikeln veröffentlichen und als Dozentin auf Seminaren im gesamten deutschsprachigen Raum in der Praxis umsetzen. RPlus ist die Quintessenz meiner bisherigen Arbeit. Mit RPlus als Idee, positive Verstärkung in ihrer Gesamtheit darzustellen und den Grundgedanken des Gebens wirklich zu leben, veröffentliche ich hier lerntheoretische Inspirationen, meine eigenen Ausbildungskonzepte und persönliche Einblicke in meine Pferdewelt.

Conny Ranz

 

Ich bin Pferdefotografin und Grenzgängerin. Mit meiner Kamera bewege ich mich zwischen den Welten. Zwischen Tier und Mensch, zwischen Traum und Realität. Pferde ihrer Natur entsprechend in ihrer ganzen Persönlichkeit zu zeigen, begeistert mich damals wie heute. Dazu bin ich unter anderem europaweit auf den Spuren der Wildpferde unterwegs. Diese Begegnungen erwecken stets den Mut zur Freiheit in mir. Mit meinen Bildern durfte ich bereits an einigen Buchprojekten namhafter Verlage sowie in diversen Pferdemagazinen mitwirken. Vor allem aber verleihe ich damit unserem gemeinsamen Herzensprojekt RPlus aus vollster Überzeugung Flügel.

AUTHOR: Marlitt Wendt